Forscher lokalisieren Teilchenbeschleuniger mit beispielloser Energie im Zentrum unserer Galaxie

Künstlerische Darstellung des Hochenergiebeschleunigers im Zentrum unserer Galaxie: Beschleunigte Protonen (blau) wechselwirken in dichten Molekülwolken um das Zentrum und produzieren neutrale Teilchen, die sofort zerfallen und Gammastrahlung (gelbe Wellen) ausstrahlen. Im Hintergrund ein Foto der Milchstraße (Bild: M.A. Garlick, H.E.S.S. Collaboration).

Die Spiegelteleskope des H.E.S.S.-Observatoriums in Namibia vor dem Sternenhimmel der Milchstraße (Foto: Matthias Lorentz).

Wissenschaftler des H.E.S.S.-Observatoriums haben mit ihren Teleskopen einen Bereich rund um das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße lokalisiert, der intensive Gammastrahlung äußerst hoher Energie emittiert. Ursache dafür ist ein astrophysikalischer Beschleuniger, der Protonen auf Energien von bis zu einem Peta-Elektronenvolt (PeV) beschleunigt – das sind mehr als 100-mal so viel wie der größte von Menschenhand gebaute Teilchenbeschleuniger, der Large Hadron Collider LHC am CERN. Die Wissenschaftler des Gammastrahlen-Teleskops in Namibia veröffentlichten ihre detaillierte Analyse der jüngsten H.E.S.S.-Daten jetzt im Fachjournal Nature. Sie haben damit erstmals eine Quelle kosmischer Strahlung mit Peta-Elektronenvolt-Energie innerhalb der Milchstraße identifiziert: Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit das supermassive Schwarze Loch im Zentrum unserer Galaxie selbst.

Seit mehr als 10 Jahren kartographiert H.E.S.S. (High Energy Stereoscopic System), das von 150 Wissenschaftlern aus 12 Ländern betrieben wird, das Zentrum der Milchstraße in höchstenergetischer Gammastrahlung. Das Gammalicht, welches die Forscher beobachten, wird von sogenannter kosmischer Strahlung erzeugt – hochenergetische Protonen, Elektronen und Atomkerne, die an verschiedenen Orten des Universums beschleunigt werden. Die Frage nach den astrophysikalischen Quellen dieser kosmischen Strahlung treibt die Wissenschaftler seit ihrer Entdeckung vor mehr als einem Jahrhundert um. Das Problem: Die Teilchen sind elektrisch geladen und werden deshalb in interstellaren Magnetfeldern von ihrer geraden Bahn abgelenkt. Aus diesem Grund zeigt ihre Flugrichtung nicht auf ihren Produktionsort zurück. Allerdings treffen die Teilchen der kosmischen Strahlung in der Nähe ihrer Quellen häufig auf interstellares Gas oder Photonen; dabei wird hochenergetische Gammastrahlung produziert, die die Erde auf geradem Weg erreicht. Diese Gammastrahlung nutzen die Forscher des H.E.S.S.-Observatoriums, um die Quellen der kosmischen Strahlung am Himmel sichtbar zu machen.

Wenn Gammastrahlung auf die Erdatmosphäre trifft, produziert sie kurze bläuliche Lichtblitze, die nachts von großen Spiegelteleskopen mit schnellen Lichtsensoren erfasst werden können. Mit dieser Technik wurden in den letzten Jahrzehnten mehr als 100 Quellen hochenergetischer Gammastrahlung am Himmel entdeckt. H.E.S.S. ist das zurzeit empfindlichste Instrument für ihren Nachweis.

Bisher war bekannt, dass kosmische Strahlung mit Energien bis zu etwa 100 Tera-Elektronenvolt (TeV) in der Milchstraße erzeugt wird. Jedoch legen theoretische Argumente und die direkte Vermessung der kosmischen Strahlung nahe, dass diese Teilchen in unserer Galaxie bis zu Energien von mindestens einem Peta-Elektronenvolt (PeV) beschleunigt werden sollten. Doch während in den letzten Jahren zahlreiche extragalaktische Quellen entdeckt wurden, die kosmische Strahlung zu Multi-TeV-Energien beschleunigen, blieb die Suche nach den Beschleunigern der höchstenergetischen kosmischen Strahlung in unserer Galaxie bislang erfolglos.

Detaillierte Beobachtungen des Zentrums der Milchstraße, die mit den H.E.S.S.-Teleskopen während der letzten 10 Jahre durchgeführt wurden, liefern jetzt erste Antworten. „Wir haben einen astrophysikalischen Beschleuniger lokalisiert, der Protonen auf Energien von bis zu einem Peta-Elektronenvolt beschleunigt hat, und das kontinuierlich über mindestens 1000 Jahre”, sagt Prof. Christian Stegmann, Leiter des DESY-Standorts Zeuthen und bis vor kurzem Sprecher der H.E.S.S. Collaboration.

Bereits während der ersten Beobachtungsjahre ab 2002 hatte H.E.S.S. eine starke kompakte Quelle sowie ein ausgedehntes Band diffuser höchstenergetischer Gammastrahlung im galaktischen Zentrum nachgewiesen. Der Nachweis dieser diffusen Strahlung, die sich über eine Region von etwa 500 Lichtjahren Durchmesser erstreckt, war bereits ein deutlicher Hinweis auf eine Quelle kosmischer Strahlung in dieser Region; der Nachweis der Quelle selbst blieb den Forschern damals versagt. Deutlich größere Menge an Beobachtungsdaten und Fortschritte in den Analysetechniken erlaubten es jetzt, erstmals sowohl die räumliche Verteilung als auch die Energie der kosmischen Strahlung zu vermessen.

Obwohl der Zentralbereich unserer Milchstraße viele Objekte beherbergt, die kosmische Strahlung großer Energie erzeugen können, unter anderem einen Supernovaüberrest, einen Pulsarwindnebel und einen kompakten Sternhaufen, liefert die Vermessung der Gammastrahlung aus dem Galaktischen Zentrum deutliche Hinweise darauf, dass das supermassive Schwarze Loch im Galaktischen Zentrum Protonen auf eine Energie von bis zu einem PeV beschleunigt. „Unsere Daten zeigen, dass der beobachtete Schein aus Gammastrahlen symmetrisch um das Galaktische Zentrum liegt“, sagt H.E.S.S.-Forscher Stefan Klepser aus Zeuthen. „Die Gammastrahlen haben so hohe Energie und sind derart zum Zentrum hin konzentriert, dass es nahelegt, dass sie das Echo eines gewaltigen Teilchenbeschleunigers sein müssen, der sich im Zentrum dieses Scheins befindet. Vermutlich im Galaktischen Zentrum selbst.“ Prof. Stegmann ergänzt, dass „mehrere Beschleunigungsregionen vorstellbar sind, entweder in der unmittelbaren Umgebung des Schwarzen Lochs oder etwas weiter außerhalb, wo ein Teil des Materials, das in Richtung des Schwarzen Lochs fällt, wieder herausgeschleudert und möglicherweise in der Umgebung weiter beschleunigt wird.“

Die Analyse der Messungen zeigt aber auch, dass diese Quelle allein den auf der Erde gemessenen Fluss der kosmischen Strahlung nicht aufrechterhalten kann. „Wenn das Schwarze Loch aber in der Vergangenheit aktiver war”, so das Argument der Forscher, „dann könnte sie tatsächlich für die gesamte galaktische kosmische Strahlung verantwortlich sein”. Ist ihre Vermutung korrekt, so wäre die 100 Jahre alte Frage nach dem Ursprung der kosmischen Strahlung geklärt.