60 Jahre DESY: Vom Hamburger Teilchenbeschleuniger zum globalen Forschungszentrum

Am 18. Dezember 2019 wird Deutschlands größtes Beschleunigerzentrum 60

Die Hamburger DESY-Belegschaft trägt das Jubiläumslogo auf Händen (Foto: DESY/H. Müller-Elsner).

Die Zeuthener Belegschaft feiert 60 Jahre DESY (Foto: DESY/A. Jones).

18.12.1959: DESY-Gründung: Unterzeichnung des Staatsvertrags zur Gründung der „Stiftung Deutsches Elektronen-Synchrotron“ im Hamburger Rathaus am 18. Dezember 1959. Links: Prof. Dr. Siegfried Balke, Bundesminister für Atomenergie und Wasserwirtschaft (heutiges BMBF). Rechts: Dr. Max Brauer, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg (Foto: DESY).

1963: Luftaufnahme DESY-Gelände: Das DESY-Gelände in Hamburg-Bahrenfeld 1963: Der Beschleunigerring (Mitte) ist schon fertig, Gebäude für die Wissenschaftler sind noch im Bau (Foto: DESY).

1964: DESY-Beschleunigertunnel: Blick in das DESY-Synchrotron kurz vor Inbetriebnahme 1964 (Foto: DESY).

2017: European XFEL-Beschleunigertunnel: Blick in den 2,1 Kilometer langen Beschleunigertunnel des European XFEL mit den gelben supraleitenden Beschleunigermodulen, die bei einer Betriebstemperatur von -271°C arbeiten (Foto: DESY/D. Nölle).

2018: PETRA III-Experimentierplatz: Einblick in Forschungswelten: Dies ist einer der 45 Messplätze an der Röntgenlichtquelle PETRA III bei DESY (Foto: DESY/H. Müller-Elsner).

2019: Luftaufnahme DESY-Gelände Hamburg: So sieht DESY heute aus: Auf dem 59 Hektar großen Campus in Hamburg-Bahrenfeld stehen mittlerweile 295 Gebäude (Foto: DESY/R. Schaaf).

Die DESY-Geschichte, die am 18. Dezember 1959 mit einer Unterschrift im Hamburger Rathaus begann, ist eine Erfolgsstory: für die globale Forschung und für den Wissenschaftsstandort Deutschland! Seit 60 Jahren wird bei DESY in Hamburg-Bahrenfeld – seit 1991 zusammen mit dem zweiten DESY-Standort in Zeuthen – Grundlagenforschung betrieben. In 60 Jahren wurde DESY zu einem weltweit führenden Zentrum für Beschleunigertechnologie, Strukturforschung, Teilchen- und Astroteilchenphysik. Im Laufe dieser 60 Jahre entwickelte DESY zukunftsweisende Technologien, mit denen Forschende aus aller Welt herausragende Erfolge erzielten. Bei DESY wurde unter anderem das Gluon entdeckt und die Auflösung der Ribosomen-Struktur erreicht.

„Jetzt geht es um die großen Herausforderungen unserer Zeit“, sagt DESY-Direktor Prof. Helmut Dosch. „Wir haben mit den sogenannten Röntgenlasern eine neue Generation von Forschungsgeräten entwickelt. Sie liefern fundamentale Erkenntnisse, zum Beispiel in Medizin und Werkstofftechnik, die die Welt von morgen prägen werden.“ DESY stellt dafür weltweit einzigartige Bedingungen: Die Kombination der Lichtquellen PETRA III, FLASH und European XFEL ermöglicht internationalen Forschenden, mit hochintensivem Röntgenlicht zu experimentieren. Zudem bietet DESY mit ergänzenden Methoden zur Herstellung, Bearbeitung und Untersuchung von Nano-Proben und Nanomaterialien einen einzigartigen „Werkzeugkasten“ für Strukturforschende und Wirtschaftsunternehmen weltweit. Auch der zweite DESY-Standort in Zeuthen ist als wachsendes Kompetenzzentrum für Astroteilchenphysik internationaler Anziehungspunkt. Zeuthen zählt mit der einzigen Beschleunigeranlage Brandenburgs zu den größten Wissenschaftseinrichtungen der Region.

Basierend auf den Erfahrungen von sechs Jahrzehnten ist DESY für die globalen Herausforderungen der Zukunft hervorragend aufgestellt: „Wir bringen starke nationale und internationale Forschungspartner zusammen und schaffen die Voraussetzungen für Innovationen in bedeutenden Bereichen wie Energieversorgung, Medizin und neuen Technologien“, sagt Helmut Dosch. Jüngste Beispiele dafür sind auch das Innovationszentrum für DESY-Startups und das Zentrum für Röntgen- und Nanoforschung CXNS, in dem ab 2021 unter anderem neue Werkstoffe entwickelt werden. Beide Gebäude befinden sich zurzeit auf dem Hamburger DESY-Campus im Bau. Und genau dieser wird zur Keimzelle für einen neuen Wissenschafts-Stadtteil werden: der Science City Bahrenfeld. In einigen Jahren wird dort DESY-Spitzenforschung gemeinsam mit naturwissenschaftlichen Fakultäten der Universität Hamburg starke Impulse für Wirtschaft und Gesellschaft setzen.

Zur Feier von 60 Jahren DESY wird es im Jubiläumsjahr besondere Veranstaltungen geben: Den Auftakt macht am 16. Januar 2020 ein festlicher Senatsempfang der Freien und Hansestadt Hamburg, zu dem die Zweite Bürgermeisterin und Wissenschaftssenatorin, Katharina Fegebank, lädt.

Im Januar startet außerdem „Wir wollen’s wissen!“, eine Gemeinschaftsaktion von DESY und der Universität Hamburg: Vom 20. bis 24. Januar gehen DESY-Forschende zusammen mit ihren Uni-Kollegen an Hamburger Schulen und erklären die Welt der Wissenschaft schülergerecht und mit Spaß. Ebenfalls im Januar erscheint das DESY-Forschungsmagazin „femto“ mit einer Sonderausgabe, die 60 Jahre Forschung kompetent und kompakt zusammenfasst. In einer Neuauflage der erfolgreichen Veranstaltungsreihe „Wissen vom Fass“, einem weiteren Projekt von DESY und der Uni Hamburg, werden am 23. April 2020 wieder DESY-Expertinnen und -Experten an den Tresen von Hamburger Bars und Kneipen wissenschaftliche Themen wirklich verständlich erklären.

Ganz neue Perspektiven wird der DESY Science Photowalk 2020 eröffnen, bei dem im Frühjahr Amateurfotografinnen und -fotografen bei DESY in Hamburg und Zeuthen ihren eigenen Blick auf die Wissenschaftswelt werfen können. Zur DESY-Dialogoffensive sind im Jubiläumsjahr Talks und Diskussionsrunden unter anderem zu den Themen Frauen in der Wissenschaft, Ethik und Forschung und Wissenschaftsstandort Hamburg/Science City Bahrenfeld geplant. Und schließlich lädt DESY am 20. Juni 2020 zum DESY60 DAY, dem Tag der Offenen Tür auf den Campus in Hamburg-Bahrenfeld.

 

 
6 x DESY60 - Zahlen, Fakten, Meilensteine zu DESYs 60. Geburtstag
 
DESY in Zahlen

     2662: MitarbeiterInnen aus 77 Herkunftsländern
     3000: internationale Gastforschende pro Jahr aus mehr als 40 Ländern
     295: Gebäude auf dem Hamburger DESY-Gelände, einschließlich Tunnel
     10 000: BesucherInnen, die jährlich an öffentlichen DESY-Führungen teilnehmen
     9900: SchülerInnen, die 2019 in den DESY-Schülerlaboren experimentierten
     2023: Jahr der Fertigstellung vom neuen DESY-Besucherzentrum DESYUM

 
DESY in wissenschaftlichen Zahlen

     16 288 Meter: Länge aller Beschleunigertunnel
     1,8 Nanogramm: ungefähre Menge der Antimaterie, die DESY seit Bestehen in Form von Positronen für seine Experimente produziert hat. Um das berühmte eine Gramm Antimaterie aus dem Film „Illuminati“ zu bekommen, müsste DESY also noch etwa 33 Milliarden Jahre weiter produzieren.
     1 Kubikkilometer: So groß ist das größte Nachweisgerät, an dem DESY mitarbeitet. Es ist der Neutrinodetektor IceCube am Südpol, der mit über 5000 ins ewige Eis eingeschmolzenen Lichtsensoren nach „Geisterteilchen“ forscht.
     1,9 Femtosekunden (billiardstel Sekunden): So kurz ist der kürzeste UV-Röntgenlaserblitz der Welt, der in diesem Jahr bei DESY erzeugt wurde.
     100 Mikrometer: Auf ein zehntel Millimeter (100 Mikrometer) genau müssen die Komponenten der kilometerlangen Teilchenbeschleuniger zueinander ausgerichtet sein, damit die Experimente funktionieren.
     0: die Zahl der Schwarzen Löcher, die an DESY-Beschleunigern jemals produziert wurden.

 
Sechs außergewöhnliche Fakten zu DESY

     Zeitreise: Tausende Jahre bevor DESY sich auf dem Gelände in Hamburg-Bahrenfeld ansiedelte, befand sich an der Stelle ein Steinzeit-Dorf. Wo heute das DESY-Direktorium seine Büros hat, war einst das Grab eines Kriegers. Das Hünengrab wurde bereits 1934 abgetragen. Nur ein Straßenname erinnert heute noch daran.
     Weiblich: DESY, DORIS, HERA, PETRA, PIA – alle Ringbeschleuniger bei DESY tragen Frauennamen. Bei allen Namen handelt es sich um Abkürzungen für wissenschaftliche Funktionen und Begriffe. Beispiel: PETRA = Positron-Elektron-Tandem-Ring-Anlage.
     Früh dran: Die erste Webseite Deutschlands ging im September 1992 unter http://apollo3.desy.de bei DESY online. Ein IT-Mitarbeiter – er ist noch immer bei DESY beschäftigt – hatte sie programmiert.
     Drehort DESY: Der Film „Panische Zeiten“ (1979) mit Udo Lindenberg wurde auf dem DESY-Gelände gedreht. Anfragen aus Hollywood gab es auch schon.
     Mit Umsicht: Der Kletterturm im Hamburger Volkspark war einst der DESY-Vermessungsturm für den 6,3 Kilometer langen Teilchenbeschleuniger HERA. Von dort konnte man alle vier Experimentierhallen sehen und millimetergenau einmessen.
     Sauber! DESY-WissenschaftlerInnen haben Angst um ihre empfindlichen Geräte und putzen deshalb an einigen Versuchsstätten lieber selbst.


Sechs spektakuläre Fakten über DESY

     Echt frostig: Die Beschleunigermodule der Freie-Elektronen-Laser FLASH und European XFEL laufen bei einer Betriebstemperatur von minus 271 Grad Celsius – zwei Grad über dem absoluten Temperatur-Nullpunkt. Das ist kälter als im Weltall (-270,42 Grad).
     Feinfühlig: Der Lichtdetektor des Experiments ALPS, das nach sehr leichten Teilchen Dunkler Materie sucht, ist so empfindlich, dass er eine 100-Watt-Lampe auf 10 Millionen Kilometer Entfernung erkennen könnte – also eine Glühbirne in 25-facher Entfernung zum Mond.
     Feinfühlig II: Das Experiment GRAVI, mit dem bei DESY die Newtonsche Gravitationskonstante vermessen wird, ist so empfindlich, dass es auch schon Erdbeben in China nachgewiesen hat.
     Superschnell: Der Freie-Elektronen-Laser FLASH hat es 2012 mit dem „schnellsten Film der Welt“ ins Guinness-Buch der Rekorde geschafft. Zwischen den einzelnen Bildern ist nur ein Abstand von 50 Femtosekunden (billiardstel Sekunden) – 800 Milliarden Mal schneller als bei üblichen Kinofilmen.
     Durchleuchtet: DESY-WissenschaftlerInnen machten 2008 ein übermaltes Van-Gogh-Gemälde sichtbar. Unter einer grünen Wiese kam nach zwei Tagen intensiver Untersuchung mit Synchrotronstrahlung am Beschleuniger DORIS ein Frauenporträt zum Vorschein.
     Aus einem Guss: Die längste, in einem Stück geschüttete Betonplatte der Welt ist der schwingungsarme Fußboden der größten Experimentierhalle von PETRA III. Ihre Maße: Ein Meter dick, 24 Meter breit und fast 280 Meter lang.

 
Sechs DESY-Meilensteine aus 60 Jahren

     18. Dezember 1959: Im Hamburger Rathaus wird der Staatsvertrag zur Gründung für das „Deutsche Elektronen-Synchrotron“ unterzeichnet. Keine fünf Jahre später werden erstmals Elektronen durch den „Ur-Beschleuniger“, der ebenfalls DESY heißt, geschickt. Erster spektakulärer Erfolg: 1965 gelingt es DESY-Forschenden, ein Antiproton zu erzeugen.
     1974: Aufbruch in neue Forschungswelten: DESY nimmt mit DORIS einen neuen Beschleunigertyp in Betrieb, der außer für die Teilchenphysik auch als besonders helle Lichtquelle genutzt wird. 1978 entsteht mit HASYLAB ein Großlabor für die Forschung mit dieser sogenannten Synchrotronstrahlung. Schnell wird es zu einer der weltweit führenden Einrichtungen seiner Art. Die Wissenschaftlerin Ada Yonath, die unter anderem an DORIS beharrlich Biomoleküle erforscht hat, wird 2009 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet.
     1978 startet DESY mit PETRA den damals weltweit größten Speicherring (2,3 Kilometer). Bahnbrechend: 1979 wird hier das Klebeteilchen Gluon entdeckt! Es ist eine wichtige Antwort auf die große Frage, was die Welt im Innersten zusammenhält, und ist bis heute die bedeutendste Entdeckung der Teilchenphysik bei DESY.
     1990 geht mit HERA der größte Beschleuniger von DESY in Betrieb (6,3, Kilometer). Weltweit einzigartig: HERA feuert Elektronen und Protonen aufeinander. Mit HERA wird die komplizierte Struktur des Protons entschlüsselt.
     1991 wird Zeuthen bei Berlin zweiter DESY-Standort. Schon zu DDR-Zeiten hatten ForscherInnen des dortigen Instituts für Hochenergiephysik an DESY-Experimenten in Hamburg mitgearbeitet. Heute ist Zeuthen vor allem als Kompetenzzentrum für Astroteilchenphysik und Heimat des einzigen Teilchenbeschleunigers in Brandenburg bekannt.
     2017: Mit dem Start des Superlasers European XFEL, der ultrakurze Röntgenlaserblitze erzeugt, wird Hamburg endgültig zur Welthauptstadt der Röntgenforschung. Bereits 2004 ging FLASH an den Start. Der Speicherring PETRA III ist seit 2010 eine der weltbesten Synchrotronlichtquellen. DESY bietet auf diesem Gebiet weltweit einzigartige Forschungsmöglichkeiten.