Mit dem Sonnenteleskop auf der Suche nach Dunkler Materie

Lieferung des ersten Bauteils für das BabyIAXO-Experiment

Angekommen! Die ersten Teile des Sonnenteleskops lagern jetzt bei DESY. Bild: DESY

So soll BabyIAXO aussehen, wenn es in Betrieb genommen wird. Bild: DESY

Dunkle Materie steht auf der Wissenschafts-Fahndungsliste an oberster Stelle. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf der ganzen Welt nutzen verschiedene Ansätze, Experimente und Methoden, um ihr auf die Spur zu kommen. Auch bei DESY gibt es bald mehrere Experimente, die nach Dunkle-Materie-Teilchen suchen. Eins davon wird in einer unterirdischen Halle am HERA-Beschleuniger aufgebaut, und die ersten Bauteile sind jetzt dort angekommen.

Das Experiment heißt BabyIAXO und ist gleich zwei Dinge auf einmal: ein Teleskop auf der Suche nach Dunkle-Materie-Teilchen aus der Sonne, und Prototyp für ein noch größeres und leistungsfähigeres Experiment namens IAXO, Abkürzung für Internationales Axionen-Observatorium. Im Jahr 2024 will ein internationales Forschungsteam den Prototypen in Betrieb nehmen. „Mit der Anlieferung der Trägerstruktur diese Woche ist der erste Schritt gemacht“, erklärt der technische Koordinator des Projekts Uwe Schneekloth. „Jetzt sind bei DESY mit ALPS II und BabyIAXO gleich zwei Experimente im Aufbau, die nach Dunkler Materie, und speziell nach Dunkle-Materie-Teilchen genannt Axionen, suchen."

Axionen sind scheue kleine Biester, von der Theorie vorausgesagt, aber bisher in noch keinem Experiment nachgewiesen. Sie gehören zu einer Teilchenfamilie namens WISPs („weakly interacting sub-eV particles“), die sich alle dadurch auszeichnen, dass sie besonders leicht sind und besonders wenig mit anderen Teilchen und Kräften in Interaktion treten. Nur in einem extrem starken Magnetfeld, so die Theorie, wandeln sie sich manchmal in ganz normale Lichtteilchen um, die man mit ausgefuchsten Messmethoden detektieren kann.

Wenn also in einem starken Magnetfeld auf einmal ein Lichtteilchen auftaucht, wo keins sein dürfte, könnte das ein Hinweis auf ein Axion sein. Sowohl ALPS II als auch BabyIAXO bauen auf diese besondere Eigenschaft. Doch während ALPS II die Axionen selbst erzeugt und durch eine lichtundurchlässige Wand schickt, richtet BabyIAXO seinen Teleskop-Blick auf das Zentrum der Sonne, aus der der Theorie zufolge unablässig Axionen auf uns niederregnen sollten.

Dafür ist einiges an Technologie nötig. Zunächst einmal braucht man einen starken, langen Magneten mit einer großen Öffnung. Der Magnet wird gerade am CERN entwickelt und erste Komponenten werden bereits getestet. BabyIAXO wird etwa vier Mal leistungsfähiger sein als das Vorgängerexperiment „CAST“ am CERN sein. Das große vorgeschlagene große Nachfolgeexperiment IAXO würde dann noch einmal das Fünffache an Sensitivität drauflegen.

Die Detektoren, die die Lichtteilchen einfangen, müssen extrem empfindlich und rauschfrei sein. Mehrere Gruppen in Spanien, Frankreich und Deutschland bereiten entsprechende Detektoren vor. Voraussetzung dafür ist eine Fokussierung der in dem Magneten erzeugten Lichtteilchen auf eine möglichst kleine Fläche ähnlich wie in Satelliten-Röntgenteleskopen. Die an BabyIAXO beteiligten Kollaborationspartner aus den USA, Italien und Dänemark entwickeln solche Teleskope auch in Zusammenarbeit mit der ESA und NASA.

Die dritte große Komponente ist Turm mit Drehvorrichtung, der die ganzen ca 90 Tonnen Gewicht trägt. Er muss stabil genug für das Sonnenteleskop sein, sich um 360 Grad drehen und sich kontinuierlich äußerst präzise ausrichten können. Denn BabyIAXO soll immer auf das Zentrum der Sonne gerichtet sein, was durch die Unterbringung in der unterirdischen Halle gar nicht so einfach sein wird. Türme mit Drehvorrichtung, die solche Bedingungen erfüllen, werden standardmäßig in der Astronomie für Teleskope benutzt, und der Fuß von BabyIAXO hatte tatsächlich ein Vorleben als Prototypen-Träger: er stammt aus Berlin-Adlershof und hat dort einen Teleskop-Prototypen für das Cherenkov Telescope Array-Projekt, an dem DESY in Zeuthen maßgeblich beteiligt ist, gehalten. Die Untersuchungen an diesem Prototypen waren nun abgeschlossen und der Fuß konnte für BabyIAXO recycelt werden.

Neben der HERA-Halle und der Trägerstruktur gibt es noch ein weiteres Stück wissenschaftliches Recycling bei BabyIAXO: ein Fokussiersystem in Inneren der Magneten stammt von der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Die hatte es als Ersatzteil für einen Röntgensatelliten namens XMM-Newton, den größten je in Europa gebauten Wissenschaftssatelliten, angefertigt und stellt es dem BabyIAXO-Team leihweise zur Verfügung. Auch die Magnetentwickler nutzen bestehende Werkzeuge der Magnetgruppe des ATLAS-Experiments am CERN für das neue Projekt.

„Natürlich sind wir alle gespannt auf die Ergebnisse, die BabyIAXO und hoffentlich auch IAXO eines Tages bringen werden“, sagt DESY-Teilchenphysikforschungsdirektor Joachim Mnich. „Aber bereits die erfinderischen Methoden und Ideen, mit denen das Experiment möglichst effizient und kostengünstig entworfen und aufgebaut wird, sind faszinierend. Ich freue mich sehr, dass BabyIAXO in allen wissenschaftlichen Evaluationen ervorragend bewertet wurde und das Experiment nun hier in Hamburg aufgebaut wird.“

Als nächstes wird jetzt die Trägerstruktur an seine neue Funktion angepasst und Mitte nächsten Jahres in der Halle aufgebaut. Wir werden weiter berichten über die kleinen und großen Abenteuer und Herausforderungen, die mit dem Aufbau eines ganz neuen Experiments einhergehen.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler forschen so fieberhaft nach Dunkler Materie, weil ihre Natur eines der größten Rätsel der Physik ist. Beobachtungen und Berechnungen der Bewegung von Sternen in Galaxien zeigen, dass es im Universum mehr Materie geben muss, als wir mit den uns heute bekannten Materieteilchen erklären können. Tatsächlich müsste die Dunkle Materie 85 % der gesamten Materie im Universum ausmachen. Allerdings wissen wir derzeit nicht, was die Bestandteile der Dunklen Materie sind. Aber wir wissen, dass sie quasi nicht mit der normalen Materie interagiert und im Wesentlichen unsichtbar ist, daher die Bezeichnung "dunkel".