Hundert Jahre gelebte Physikgeschichte

Der ehemalige DESY- und CERN-Generaldirektor Herwig Schopper feiert seinen 100. Geburtstag

Herwig Schopper war in den 1970-er Jahren Vorsitzender des DESY-Direktoriums. Bild: DESY

Ein Leben geprägt von wissenschaftlichen Meilensteinen, großen Entscheidungen, immer größeren Beschleunigern und viel Wissenschaftsdiplomatie: Am 28. Februar wird Herwig Schopper 100 Jahre alt, am 1. März wird er in einem festlichen Symposium am CERN geehrt. Auch DESY, das er von 1972 bis 1980 als Vorsitzender des Direktoriums geleitet hat, hat ihm viel zu verdanken. DESY gratuliert zum vollendeten Jahrhundert!

Schopper hat wie kein anderer die Physik-Landschaft in Europa und darüber hinaus geprägt, zunächst als Professor in Karlsruhe, dann als Generaldirektor bei DESY und direkt danach am CERN und schließlich als Wegbereiter und Vorstandsvorsitzender von SESAME, der ersten Synchrotronstrahlungsquelle im Nahen Osten. Herwig Schopper setzte sich kontinuierlich für länderübergreifende wissenschaftliche Kooperationen ein, stets mit der Absicht, dadurch zur Völkerverständigung beizutragen.

„Im Namen des DESY-Direktorium und aller DESYaner:innen möchte ich Herwig Schopper meine allerherzlichsten Glückwünsche zu seinem 100. Geburtstag übermitteln und ihm noch viele weitere Jahre bei guter Gesundheit wünschen“, sagt der heutige Vorsitzende des DESY-Direktoriums, Helmut Dosch. „Besonders beeindruckt hat mich immer sein messerscharfer Verstand, den er sich bis ins hohe Alter bewahrt hat, und sein überragendes Engagement für die Förderung friedensstiftender Forschungsprojekte. Er ist eine Zierde für die internationale Wissenschaft.“

Geboren 1924 in Landskron in der Tschechoslowakei, kam Schopper als Student nach Hamburg und lernte hier auch seine Frau kennen. Nach mehreren Professuren in Mainz, Cornell und Karlsruhe holte man ihn als Nachfolger von Willibald Jentschke zu DESY, der als Generaldirektor ans CERN gewechselt war. „Schopper hatte sich durch seine Arbeiten auf dem Gebiet der schwachen Wechselwirkung und durch Experimente am DESY und CERN einen Namen gemacht und verfügte darüber hinaus über ein großes Talent als Wissenschafts-Administrator mit beachtlichem diplomatischem Geschick“, erklären die DESY-Chronisten Erich Lohrmann und Paul Söding in ihrem Buch „Von schnellen Teilchen und hellem Licht“.

Vieles, was Herwig Schopper in seiner DESY-Amtszeit neu eingeführt hat, ist inzwischen gängige Praxis in internationalen Großprojekten, so zu Beispiel die Art und Weise, wie sich ausländische Gruppen an den DESY-Beschleunigern und -Detektoren finanziell beteiligen. In Schoppers Amtszeit fällt die Inbetriebnahme des DORIS-Beschleunigers, Antrag, Genehmigung, Bau und Inbetriebnahme des PETRA-Rings inklusive der bahnbrechenden Entdeckung des Gluons, der Anfang der Forschung mit Photonen mit der Gründung des HASYLAB und die Vorbereitung für DESYs bisher größten Beschleunigers HERA.

„Dank Herwig hat DESY sich von einem nationalen zu einem internationalen Labor von Weltruf entwickelt“, resümiert Albrecht Wagner, Vorsitzender des DESY-Direktoriums von 1999 bis 2009. „Seine wissenschaftliche und administrative Weitsicht, gepaart mit seinem Optimismus, seiner Kreativität und oft einer großen Portion Kühnheit, ist beneidenswert. Auch ich gratuliere von Herzen und wünsche ihm viel Freude und noch lange Gesundheit.“

Nach seiner Zeit bei DESY wechselte Schopper zum CERN, um dort von 1981 bis 1988 den Posten des Generaldirektors zu übernehmen. Auch hier steht er im Zentrum wissenschaftlicher, manchmal sogar weltpolitischer Ereignisse. Der Vorschlag zum Bau des Large Electron-Positron Colliders LEP geschah unter Schopper, und auch hier führte er neue Organisations- und Finanzierungsmethoden ein, die bis heute bei großen Experimenten in der Teilchenphysik etabliert sind. Dank eines von Schopper vorgeschlagenen Tricks wurde der Tunnel für LEP bereits auf eine Art und Weise gebaut, die den Einbau des heutigen Large Hadron Collider LHC ermöglichte.

Nach seiner Pensionierung schlug Schopper eine neue Karriere ein: die des Wissenschaftsdiplomaten. In dieser Funktion spielte er eine führende Rolle bei der Gründung des SESAME-Labors in Jordanien, einer Synchrotronlichtquelle, die für den Nahen Osten und die angrenzenden Regionen gebaut wurde. Noch heute setzt er sich für die Freiheit der Wissenschaft und die wissenschaftliche Zusammenarbeit ohne politische Einschränkungen ein, nicht zuletzt auf der DESY-Dialogveranstaltung „Freiheit der Wissenschaft in Gefahr“ im Jahr 2019.

Im Laufe seiner bemerkenswerten Karriere hat Herwig Schopper nicht nur Briefe von der ehemaligen englischen Premierministerin Margaret Thatcher bekommen, Papst Johannes Paul II, Königin Beatrix, den Dalai Lama und viele andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens getroffen, sondern vor allem mit vielen Größen der Physik zusammengearbeitet, die dann Freunde geworden sind. Kaum jemand war so dicht an den großen Physik-Revolutionen des 20. Jahrhunderts dran wie er. DESY wünscht alles Gute!

Im Rahmen der Frühjahrstagung des Fachverbands Teilchenphysik der Deutschen Physikalischen Gesellschaft DPG findet am 6. März ein Festsymposium zu Ehren von Herwig Schopper statt. Für seine außerordentlichen Verdienste um die Teilchenphysik und den Standort Karlsruhe wird dem Jubilar die Ehrendoktorwürde des KIT verliehen. Die Laudatio hält Albrecht Wagner von DESY und der Universität Hamburg. Beate Heinemann, Direktorin für Teilchenphysik bei DESY, gibt in der Festvorlesung einen Überblick zu den Durchbrüchen des Forschungsfelds in den vergangenen hundert Jahren und stellt dabei die Beiträge Herwig Schoppers vor.