ALPS II-Magnete unter Strom

Dunkle-Materie-Experiment erreicht wichtigen Meilenstein

Der erste Stromtest der ALPS II-Magnete wurde vom Expertenteam um Timo Weinhausen (rechts) noch per Hand durchgeführt (unter 2G++-Bedingungen). Bild: DESY, Christian Mrotzek

Wenn man der Dunklen Materie mit einem neuen Experiment auf die Spur kommen will, sind viele einzelne Meilensteine nötig. Einen davon hat das Team des ALPS II-Experiments, das in einem Beschleunigertunnel unter dem Westen Hamburgs aufgebaut wird, gerade erreicht: die supraleitenden Magnete, in denen sich letztendlich Lichtteilchen in Dunkle-Materie-Teilchen umwandeln sollen, sind Anfang März zum ersten Mal bei der vollen Stromstärke von 5700 Ampere gelaufen.

„Das war sehr aufregend“, fasst ALPS II-Projektleiter Axel Lindner die letzten Wochen zusammen. „Die vor etwa 35 Jahren für den HERA-Beschleuniger gebauten Magnete mussten für ALPS II modifiziert und beispielsweise Sicherheitssysteme zum großen Teil neu entwickelt werden. Die 24 Magnete zum ersten Mal auf Sollstromstärke laufen zu sehen, war ein tolles Gefühl“, sagt er. Dreieinhalb Stunden lang flossen 5700 Ampere durch die supraleitenden Niob-Titan-Kabel, die nur einen Querschnitt von 10 x 1,5 Millimetern haben – ein wichtiger Schritt in Richtung anstehender Dauerbetrieb. Die DESY-Fachleute testeten auch, wie sich die Magnete verhalten, wenn das Magnetfeld zyklisch an-, ab- und wieder angeschaltet wird. Auch das klappte hervorragend.

Noch ist für den Dauerbetrieb nicht alles bereit: Während das Experiment im unterirdischen Beschleunigertunnel steht, ist die Stromversorgung ein Stockwerk weiter oben angesiedelt. Dort gibt es allerdings noch kein Datennetzwerk. Das Team der DESY-Gruppe MPC (Maschine Power Control), die auch auf Stromversorgung von Magneten spezialisiert ist, musste den Betriebstest also praktisch von Hand vor Ort steuern, statt wie sonst üblich direkt vom Kontrollraum aus. „Später soll da auch mal Netzwerk hinkommen“, lacht Lindner.

Bevor die 5700 Ampere fließen konnten, musste die 250 Meter lange Magnetstrecke zunächst auf ihre Betriebstemperatur von minus 269 Grad Celsius heruntergekühlt werden. Denn nur supraleitende Magnete können das starke Magnetfeld erzeugen, das ALPS II für seine Messungen braucht, und Supraleitung – der Zustand, in dem elektrische Leiter ihren elektrischen Widerstand verlieren und Strom verlustfrei fließen kann – erreicht man bei diesen Magneten nur bei einer Betriebstemperatur von beinahe absolut Null. Diesen Meilenstein erreichte das Team kurz vor Weihnachten 2021. Man muss dabei sehr vorsichtig vorgehen, weil Komponenten sich beim Herunterkühlen zusammenziehen. Insgesamt dauert der Abkühlprozess um die drei Wochen.

„In Sachen Betriebstests war es das erstmal“, erzählt Lindner. „Wir müssen die Magnete für Umbauarbeiten in der Kälteanlage jetzt wieder aufwärmen, was ebenfalls drei Wochen dauert, und werden dann in den nächsten Monaten mit den internationalen Partnern weiter an dem Aufbau der komplexen Optik arbeiten.“ Im Sommer soll es dann wieder kalt werden in den ALPS-Magneten. In der Zwischenzeit schauen die Forschenden sich auch ihre Messungen aus dem Testbetrieb der Magnete an, von dem sie sich Informationen darüber erhoffen, wieviel „Hintergrundrauschen“, also scheinbares Messsignal, im Experiment zu erwarten ist, „einfach um es zu verstehen“, so Lindner.

 

Über ALPS II

Das „Licht-durch-die-Wand-Experiment“ ALPS II (Any Light Particle Search) ist auf der Suche nach besonders leichten Teilchen, aus denen sich die Dunkle Materie zusammensetzen könnte. Mit der Hilfe von vierundzwanzig recycelten HERA-Magneten, Laserlicht und einem hochempfindlichen Detektorsystem will das internationale Team nach diesen sogenannten axionartigen Teilchen suchen. Das Prinzip: In einem starken Magnetfeld könnten sich Photonen – Lichtteilchen – in diese geheimnisumwitterten Teilchen und wieder zurück in Licht umwandeln. Die erste Hälfte der in gerader Reihe aufgestellten HERA-Magnete umschließt dafür ein Vakuumrohr, in dem hochintensives Laserlicht hin- und hergespiegelt wird. Sollte sich ein Photon in ein Axion verwandeln, könnte dieses eine lichtdichte Wand durchqueren, die am Ende der Magnete steht. Dahinter könnte sich dieses Axion, wiederum in einem optischen Resonator, in einer fast gleich aufgebauten Magnetstrecke wieder in Licht zurückverwandeln.