Millionenförderung durch den Europäischen Forschungsrat ERC

ERC Starting Grants für die Suche nach kosmischen Neutrinos und Dunkler Materie

Anna Nelles mit den Neutrino-Antennen (rechts) und optischen Neutrino-Detektoren (links). Bild: DESY

Andrea Caputo. Bild: Andrea Caputo

Der Europäische Forschungsrat ERC fördert die Suche nach extrem energiereichen kosmischen Teilchen sowie nach ultraleichten Kandidaten für die mysteriöse Dunkle Materie mit insgesamt drei Millionen Euro. DESY-Forscherin Anna Nelles, die auch Professorin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg ist, und Andrea Caputo, der bislang am Europäischen Teilchenforschungszentrum CERN bei Genf arbeitet, haben sich erfolgreich um sogenannte ERC Starting Grants mit DESY als Host Institution beworben. Beide erhalten je 1,5 Millionen Euro über die kommenden fünf Jahre für ihre Forschungsprojekte.„Wir gratulieren beiden Bewerbern und sind stolz, als Host Instiution für diese ambitionierten Forschungsprojekte zur Verfügung zu stehen“, sagt der Vorsitzende des DESY-Direktoriums, Helmut Dosch.

Nelles baut auf Grönland ein Netz von Radioantennen auf, um damit extrem energiereiche Neutrinos aus dem Weltall zu belauschen. Neutrinos sind flüchtige Elementarteilchen, die sich von nahezu nichts aufhalten lassen. Sie durchqueren ungehindert Wände, Planeten und ganze Galaxien und erreichen uns daher aus den fernsten Winkeln des Kosmos und aus dem Zentrum extremer Prozesse wie etwa Supernova-Explosionen von Sternen oder den Staubscheiben um Schwarze Löcher. Manche dieser Teilchen haben so viel Energie wie ein scharf geschmetterter Tischtennisball. Versuche haben gezeigt, dass die schnellen Neutrinos auf ihrem Weg durch die Atmosphäre sowie den grönländischen Eisschild Radiowellen hinterlassen, die sich mit Spezialantennen auffangen lassen.

„Die Entdeckung von Neutrinos mit extremen Energien verspricht neue Erkenntnisse sowohl in der Astrophysik als auch in der Teilchenphysik bei Energien weit jenseits solcher, die sich mit irdischen Teilchenbeschleunigern erreichen lassen“, erläutert Nelles. „Wir hoffen, mit solchen Beobachtungen neue Quellen extrem energiereicher kosmischer Strahlung zu enthüllen und die Ausbreitung dieser Teilchen im All besser zu verstehen.“ Das „Radio Neutrino Observatory - Greenland“ RNO-G wird die erste große Anlage ihrer Art und soll bis 2026 auf 35 Stationen ausgebaut werden. Aufbau und Betrieb werden von Nelles und Kolleginnen und Kollegen aus den USA und Belgien geleitet.

Caputo beschäftigt sich in seinem Projekt AstroDarkLS mit der Suche nach der rätselhaften Dunklen Materie. Sie ist nach kosmologischen Untersuchungen im Universum mehr als fünfmal so häufig wie die uns vertraute Materie, die vom sogenannten Standardmodell der Teilchenphysik beschrieben wird. „Das Standardmodell ist eine erfolgreiche und gut bestätigte Theorie“, erläutert Caputo. „Dennoch gibt es noch eine Menge offener Fragen, etwa den Ursprung der Neutrinomasse sowie die Natur der Dunklen Materie und der Dunklen Energie. Der Bedarf für Physik jenseits des Standardmodells ist unzweifelhaft, aber die Frage ist: Wie und wo können wir sie finden?“

Auf der Suche nach einer Antwort auf diese Frage untersucht das Projekt den Einfluss hypothetischer leichter Teilchen der Dunklen Materie auf eine Reihe kosmologischer und astrophysikalischer Phänomene, um eine mögliche Signatur dieser Teilchen identifizieren zu können. „Unsere Hoffnung ist, Dunkle Materie zu entdecken oder zumindest einige Mysterien des 'Dunklen Sektors' zu lüften“, sagt Caputo.

Insgesamt hat der ERC 400 Starting Grants mit einer Gesamtfördersumme von 628 Millionen Euro an junge Forscherinnen und Forscher aus ganz Europa vergeben. Die Förderung ist Teil des Horizon-Europe-Programms der EU. Fast 2700 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hatten sich beworben. Unter den erfolgreichen Antragstellern ist der Anteil von Frauen laut ERC mit 43 Prozent in diesem Jahr besonders hoch.

„Es ist Teil unserer Aufgabe, Nachwuchstalenten die Unabhängigkeit zu geben, anspruchsvolle, von Neugier getriebene Forschung zu betreiben, die unsere Zukunft gestalten kann“, betont ERC-Präsidentin Maria Leptin. „In dieser jüngsten Runde der Starting Grants war der Anteil der Frauen mit am höchsten, und ich hoffe, dass dieser Anteil noch weiter steigen wird. Herzlichen Glückwunsch allen Gewinnerinnen und Gewinnern und viel Glück auf ihrem Weg zur Entdeckung.“