Teilchenphysiker der internationalen ZEUS-Kollaboration haben die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen gefunden. Sie identifizierten 15 Z0-Bosonen in über 500 Millionen Kollisionsereignissen im ehemaligen Elektron-Proton-Beschleuniger HERA bei DESY. Z0-Teilchen sind Träger der schwachen Kraft, eine der vier fundamentalen Kräfte im Universum. Obwohl Z0-Bosonen an anderen Teilchenbeschleunigern intensiv untersucht wurden, sind sie in Elektron-Proton-Kollisionen noch nie direkt beobachtet worden. Die Erzeugung von Z0-Teilchen ist der seltenste Prozess, der jemals an HERA gemessen wurde.
Gemeinsam mit ihren Kollegen der internationalen H1-Kollaboration untersuchten die ZEUS-Wissenschaftler auch den Austausch virtueller Z0-Bosonen zwischen schwach wechselwirkenden Teilchen. Wie die Forscher herausfanden, stimmten sowohl die Produktion realer Z0-Bosonen als auch der Austausch virtueller Z0-Bosonen bei HERA hervorragend mit dem Standardmodell der Teilchenphysik überein. Die Forscher präsentierten ihre Analysen in einer Reihe von wissenschaftlichen Artikeln in den Fachzeitschriften Physical Letters B, Journal of High Energy Physics und Physical Review D.
Z0-Bosonen und die schwache Kraft
Das Z0-Boson ist ein Elementarteilchen, das zusammen mit den W-Bosonen die schwache Kraft übermittelt. Diese ist für den radioaktiven Zerfall von Atomkernen und andere Prozesse verantwortlich.
Z0-Bosonen können auf zwei verschiedene Weisen in Teilchenbeschleunigern wie HERA in Erscheinung treten. Sie können entweder als reale Teilchen in den Feuerbällen produziert werden, die bei den Teilchenkollisionen entstehen, oder als kurzlebige Fluktuationen, sogenannte virtuelle Teilchen, zwischen gewöhnlichen, über die schwache Kraft verbundenen Teilchen ausgetauscht werden.
Erzeugung von realen Z0-Bosonen
Da Z0-Bosonen schwere Teilchen sind und somit hohe Energien für ihre Erzeugung notwendig sind, wurden sie in den Elektron-Proton- und Positron-Proton-Kollisionen bei HERA nur selten produziert.
Um die Wahrscheinlichkeit für den Nachweis von Z0-Bosonen zu erhöhen, konzentrierten sich die ZEUS-Wissenschaftler bei ihrer Analyse auf Kollisionsereignisse, in denen das Proton intakt blieb. „Wenn Sie alle Ereignisse mit einbeziehen, erhalten Sie letztendlich zu viele andere Prozesse, bei denen das Proton auseinanderbricht, so dass Sie die wenigen Z0-Bosonen, die Sie suchen, nicht mehr finden können“, erläutert DESY-Forscherin und Leiterin der ZEUS-Physikanalyse Katarzyna Wichmann, die an der Datenanalyse beteiligt war.
Mit Hilfe dieser Analysestrategie und eines Kalorimeters, das die Energie der Teilchen mit außergewöhnlich hoher Auflösung messen konnte, kamen die Teilchenphysiker zu dem Schluss, dass in der halben Milliarde Kollisionsereignisse, die der ZEUS-Detektor aufgenommen hatte, 15 reale Z0-Bosonen erzeugt worden waren. Diese Zahlen sind vergleichbar mit der Identifizierung von nur zwei Personen in der gesamten deutschen Bevölkerung.
Austausch von virtuellen Z0-Bosonen
Außerdem untersuchten die ZEUS-Forscher gemeinsam mit Wissenschaftlern aus der H1-Kollaboration virtuelle Z0-Bosonen, die ausgetauscht werden, wenn Elektronen oder Positronen mit Protonen wechselwirken. Aufgrund ihrer elektrischen Ladungen tauschen die Elektronen bzw. Positronen und die Quarks in den Protonen allerdings auch Photonen aus, die Trägerteilchen der elektromagnetischen Kraft. Bei kleinen Energieüberträgen im Kollisionsprozess überwiegt dabei die elektromagnetische Kraft gegenüber der schwachen Kraft.
Um den viel kleineren Beitrag der von den Z0-Bosonen übertragenen schwachen Kraft herauszufiltern, müssen sich die Forscher deshalb auf Streuprozesse mit großen Energieüberträgen konzentrieren. „Bei hohen Energieüberträgen hängt die Wechselwirkungswahrscheinlichkeit davon ab, ob Elektronen oder Positronen im Experiment verwendet werden“, erklärt DESY-Wissenschaftler Stefan Schmitt, Sprecher der H1-Kollaboration. „Das unterschiedliche Verhalten von Elektronen und Positronen kann nicht vom Austausch von Photonen herrühren, da die elektromagnetische Kraft keine solche Wirkung hat.“
Beide Kollaborationen haben die Asymmetrie von Elektron-Proton- und Positron-Proton-Reaktionen als Beweis für die schwache Kraft und den Austausch von virtuellen Z0-Teilchen gemessen.
Das Standardmodell auf dem Prüfstand
Die Wissenschaftler nutzten ihre Ergebnisse, um eine der erfolgreichsten Theorien der Physik zu überprüfen – das Standardmodell der Teilchenphysik, das das Verhalten aller bekannten Teilchen und ihre Wechselwirkungen, mit Ausnahme der Schwerkraft, beschreibt.
„Der Nachweis vonZ0-Ereignissen mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit, gemessen über die 15-jährige Laufzeit von HERA, hat uns die Möglichkeit gegeben, die Details unserer heutigen Theorien sehr genau zu überprüfen“, betont der Leiter der ZEUS-Gruppe bei DESY, Achim Geiser. Wie die Forscher herausgefunden haben, stimmen ihre Experimente bisher mit den Vorhersagen des Standardmodells überein.
Es könnte jedoch sein, dass dies nicht das Ende der Geschichte ist. „Nicht alle Aspekte der schwachen Wechselwirkung zwischen Z0-Bosonen und Quarks wurden bisher vollständig getestet“, so Schmitt. „Wir suchen derzeit in unseren Daten nach Abweichungen dieser schwachen Kopplungen vom Standardmodell.“ Denn Abweichungen deuten in der Forschung oft auf unbekannte Prozesse und unerwartete, „neue“ Wissenschaft.
Originalveröffentlichungen
ZEUS Collaboration; Production of Z0 bosons in elastic and quasi-elastic ep collisions at HERA; Phys. Lett. B 718, 915–921 (2013); DOI: 10.1016/j.physletb.2012.11.051.
H1 Collaboration; Inclusive deep inelastic scattering at high Q2 with longitudinally polarised lepton beams at HERA; JHEP 09 061 (2012); DOI: 10.1007/JHEP09(2012)061.
ZEUS Collaboration; Measurement of high-Q2 neutral current deep inelastic e+p scattering cross sections with a longitudinally polarized positron beam at HERA; Phys. Rev. D 87, 052014 (2013); DOI: 10.1103/PhysRevD.87.052014.