Die internationale OLYMPUS Collaboration hat in dieser Woche die Ergebnisse ihres Forschungsprojekts im Journal Physical Review Letters veröffentlicht. Der OLYMPUS-Detektor hatte 2012 Daten am DORIS-Speicherring genommen, um ein rätselhaftes Verhalten des Protons zu untersuchen. „Die Veröffentlichung krönt ein sieben Jahre währendes Forschungsprojekt zur Aufklärung einer unverstandenen Diskrepanz zwischen den Protonformfaktoren GE und GM, die die elektrischen und magnetischen Ladungsverteilungen im Proton beschreiben“, sagt Douglas Hasell vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston, Sprecher der rund 55 OLYMPUS-Wissenschaftler, die von 13 Institutionen kommen. Die weltweit genauesten Messergebnisse des Experiments zeigen, dass der Unterschied nicht so groß ist wie erwartet.
Die Formfaktoren, die die OLYMPUS-Wissenschaftler unter die Lupe nahmen, werden durch die Verteilung der Quarks im Innern des Protons bestimmt. Messungen zu Formfaktoren gibt es seit etwa 60 Jahren; sie sind in den 1960er und 1970er Jahren auch am DESY-Beschleuniger durchgeführt worden. Messungen am Jefferson Lab in den USA Anfang der 2000er Jahre hatten in Kollisionen polarisierter Elektronen und Protonen Abweichungen zu älteren Versuchen entdeckt. Eine mögliche Erklärung hierfür: Bei manchen Kollisionen wird nicht nur ein Photon zwischen den beiden Teilchen ausgetauscht, sondern mehrere. Um diese These zu testen, wurde der rund 50 Tonnen schwere OLYMPUS-Detektor am DORIS-Speicherring aufgebaut. Er bestand zu großen Teilen aus dem BLAST-Detektor, der von 2002 bis 2005 am MIT im Einsatz war und mit einigen Modernisierungen und Umbauarbeiten an den DORIS-Ring angepasst wurde.
Der einzigartige Vorteil dieser Kombination war, dass man in DORIS sowohl Elektronen als auch deren Antiteilchen, Positronen mit den Protonen eines Wasserstoff-Gastargets kollidieren lassen konnte, und das mit hoher Intensität abwechselnd. Im Falle eines Mehr-Photonen-Austauschs sollten sich Unterschiede ergeben, je nachdem, ob die Protonen mit Elektronen oder mit Positronen kollidieren. „Wir konnten an DORIS sehr schnell zwischen Elektronen- und Positronenbetrieb umschalten, das reduziert den systematischen Fehler der Messungen erheblich“, erklärt DESY-Forscher Uwe Schneekloth, stellvertretender Sprecher der Kollaboration. „Zusammen mit einer phantastischen Unterstützung der DESY-Beschleunigermannschaft, die DORIS auch über die Weihnachtsfeiertage betrieben hat und sogar den top-up-Betrieb für DORIS realisiert hat, haben wir trotz einiger technischer Tücken eine Menge wertvoller Daten in unserer kurzen Laufzeit aufzeichnen können.“
Insgesamt gut drei Monate lang haben die Wissenschaftler Daten genommen. In der anschließenden aufwändigen Auswertung ermittelten die Forscher, dass zwei verschiedene Prozesse zu dem vermuteten Austausch von zwei Photonen bei einer Kollision beitragen. Während der dominante dieser Prozesse sehr gut theoretisch beschreibbar ist, gibt der deutlich kleinere dieser Effekte immer noch Rätsel auf. Er ist deutlich schwächer, als es aus vorherigen, nicht so präzisen Experimenten erwartet worden ist. Die OLYMPUS-Messungen weisen darauf hin, dass dieser sogenannte „harte Zwei-Photon-Austausch“ die Diskrepanz der beiden Formfaktoren erklären kann. Sie stimmen mit einer phänomenologischen Beschreibung überein, bisherige modellabhängige Rechnungen müssen für seine Beschreibung jedoch modifiziert werden. „Zum genaueren Verständnis des Prozesses wären ähnliche Experimente bei höheren Kollisionsenergien und deutlich höheren Kollisionsraten wertvoll, für die es allerdings zurzeit keine so maßgeschneiderte Lösung gibt wie sie der OLYMPUS-Detektor an DORIS war“, erklärt Schneekloth.
„Die Erkenntnisse von OLYMPUS führen zu einem deutlichen Fortschritt im Verständnis des Protons“, erklärt DESY-Teilchenphysikdirektor Joachim Mnich. „Ich gratuliere der OLYMPUS Collaboration, die mit ihrem Experiment auf absehbare Zeit die genauesten Daten zu diesem Effekt geliefert hat.“