DESY trauert um den langjährigen Vorsitzenden des DESY-Direktoriums und Wegbereiter des zweiten DESY-Standorts in Zeuthen, Prof. Dr. Dres. h.c. Volker Soergel. Er starb am 5. Oktober im Alter von 91 Jahren. „Volker Soergel war einer der großen Visionäre des Forschungszentrums“, sagt Helmut Dosch, Vorsitzender des DESY-Direktoriums. „Als Erfolgsgeschichte der deutschen Einheit kam das Zeuthener Institut zu DESY – eine Leistung, die immer mit seinem Namen verbunden bleiben wird. Unser Mitgefühl gehört seiner Familie.“
Volker Soergels Verbindung zum Forschungszentrum begann in den 70-er Jahren, als er als Physik-Professor an der Universität Heidelberg zum Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Rates gewählt wurde. 1979 wurde er für zwei Jahre als Forschungsdirektor zum CERN, der Europäischen Organisation für Kernforschung in Genf, berufen, kehrte aber 1981 als Vorsitzender des DESY-Direktoriums nach Hamburg zurück.
Volker Soergel hat die Entwicklung DESYs in besonderer Art und Weise geprägt: In seine zwölfjährige Amtszeit als DESY-Direktor fallen zum Beispiel Konstruktion und Bau des HERA-Beschleunigers. HERA war zu dieser Zeit das größte wissenschaftliche Projekt in Deutschland, das in der Grundlagenforschung realisiert wurde. Die DESY-Direktoren Volker Soergel und Björn Wiik brachten das „HERA-Modell“ auf den Weg – ein großer Durchbruch bei der Finanzierung und Organisation eines solchen Großforschungsprojekts, das zum Vorbild für die Durchführung großer internationaler Forschungsprojekte wurde. Insgesamt elf Länder trugen damals dazu bei – ein Novum in der Geschichte der Teilchenforschung.
„Volker Soergels Mut, seiner Überzeugungskraft und seiner Führungsstärke bei DESY ist es zu verdanken, dass HERA den Rückhalt in der wissenschaftlichen Gemeinschaft weltweit und die politische Unterstützung zur Realisierung dieses wissenschaftlichen Großprojekts in Deutschland finden konnte“, sagt Beate Heinemann, Direktorin für Teilchenphysik bei DESY. „Die Resultate von HERA zur Struktur des Protons sind auch heute noch von unschätzbarem Wert für die Auswertung der Daten vom Large Hadron Collider LHC am CERN.“
Der zweite DESY-Standort im brandenburgischen Zeuthen geht ebenfalls auf das weitsichtige Engagement von Volker Soergel zurück. Bereits im Jahr 1985, vier Jahre vor dem Mauerfall, erreichte er die erneute wissenschaftliche und grenzüberschreitende Zusammenarbeit von DESY in Hamburg und dem damaligen Institut für Hochenergiephysik IfH in Zeuthen, ein Institut der ehemaligen Akademie der Wissenschaften der DDR. Die frühere Zusammenarbeit war aus politischen Gründen 1969 verboten worden.
Mit der Wiedervereinigung im Jahr 1990 wurde die Wissenschafts- und Forschungslandschaft in Ost und West neu geordnet. Volker Soergel setzte sich dafür ein, dass der Fortbestand des Instituts für Hochenergiephysik IfH als eines der ersten Institute der DDR nach der Wiedervereinigung gesichert wurde und mit DESY zusammengeführt werden konnte. Dies gilt als eine der großen Erfolgsgeschichten zur deutschen Einheit.
Volker Soergel förderte auch DESYs Kompetenzen in anderen Forschungsbereichen. Schon früh war er in seiner Zeit als Vorsitzender des wissenschaftlichen Rates bei DESY an der Entwicklung von Plänen beteiligt, das Potenzial der Synchrotronstrahlung bei DORIS wissenschaftlich weiter auszuschöpfen. So wurde die Photon Science zum wichtigen Standbein der DESY-Forschung – erst als „Nebenprodukt“ der Beschleuniger, die für die Teilchenphysik genutzt wurden, dann, mit der Einweihung des HASYLAB im Jahr 1981 und dem Umbau von DORIS, als etablierter eigener Forschungszweig.
Nach seinen zwölf Jahren als DESY-Direktor ging er für vier Jahre als Geschäftsführender Direktor an das Max-Planck-Institut für Physik in München.
Für seine Verdienste um den Ausbau von DESY und vor allem um den Aufbau internationaler Wissenschaftskooperationen wurde Volker Soergel 1993 das Bundesverdienstkreuz erster Klasse verliehen. Neben viele weitere Ehrungen und Auszeichnungen trägt er auch die Ehrendoktorwürde der Universitäten Glasgow (1994) und Hamburg (2009).
Mit dem Tod von Volker Soergel verliert DESY eine seiner prägendsten Figuren. Er hat mit seiner Weitsicht und Führung DESY maßgeblich gestaltet. Das Forschungszentrum ist ihm zu größtem Dank verpflichtet.