Es ist 9 Uhr morgens und im Kontrollraum herrscht geschäftiges Treiben. Die Forscherinnen und Forscher haben gerade ihr tägliches Morgen-Meeting beendet und machen sich an die Aufgaben, die sie sich selbst gestellt haben. Einige diskutieren die Qualität der gestern aufgezeichneten Daten, andere gehen zur Beamline, in der ihr Experiment steht, um ein paar Anpassungen vorzunehmen. Eine andere Gruppe überprüft die Strahlmonitore auf den Status des Beschleunigers, der ihnen einen Partikelstrahl liefert. Ein ganz normaler Tag an einem Teststrahlexperiment am Forschungszentrum CERN in Genf.... aber Moment mal. Diese Forscherinnen und Forscher sind erst 16 Jahre alt. Sie haben ihre Klassenzimmer mit dem Kontrollraum für ein einzigartiges Projekt getauscht: Beamline for Schools, ein internationaler Wettbewerb, der 2014 vom CERN ins Leben gerufen wurde. Im Jahr 2019 findet er bei DESY statt.
"Beamline for Schools" bietet Oberstufenschülerinnnen und -schülern einen Vorgeschmack darauf, wie das Leben als Forscher wirklich ist – einschließlich Antragstellung, Sicherheitstraining, Datennahme und Analyse ihrer Ergebnisse. In seinem sechsten Jahr zieht der Wettbewerb um vom CERN zu DESY, weil die Beschleuniger des CERN für eine zweijährige Upgrade-Pause abgeschaltet werden. Auch wenn die Teilchen andere sind, bieten die Teststrahlanlagen - die "Beamlines" - von DESY ähnliche Bedingungen wie am CERN. Deshalb haben die beiden Forschungszentren sich zusammengetan, um das Projekt fortzusetzen. "Wir freuen uns sehr darauf, den Wettbewerb 2019 auszurichten", sagt DESY-Teststrahlkoordinator Marcel Stanitzki. "Es ist eine wirklich einzigartige Erfahrung für die Studenten und wir sind schon gespannt, mit welchen kreativen wissenschaftlichen Ideen sie sich bewerben."
Als Beamline for Schools 2014 begann, war es als einmaliges Projekt im 60-jährigen Jubiläumsjahr des CERN geplant. Wegen seines großen Erfolgs ging er in ein zweites Jahr und ist seitdem eine jährliche Veranstaltung geworden. Bisher haben mehr als 900 Teams mit insgesamt rund 8500 Studierenden aus 76 Ländern weltweit Vorschläge für Experimente eingereicht, die sie an einer Beamline durchführen wollen. Die finanzielle Unterstützung kommt von der „CERN and Society Foundation“, unterstützt von Einzelspendern, Stiftungen und Unternehmen.
Der Bewerbungsprozess ist so einfach wie anspruchsvoll: Schülerinnen und Schüler, die gerne mal als echte Wissenschaftler arbeiten wollen, bilden Teams von mindestens fünf Schülern und mindestens einem erwachsenen Coach. Sie entwickeln eine Idee für ein Experiment, das mit Teilchen aus einer Beamline und dem zur Verfügung stehenden Equipment von CERN bzw. DESY durchgeführt werden könnte. Die nationalen Kontakte stehen bereit, um Fragen zu beantworten. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt - nur der Sicherheit und Machbarkeit der Experimente. Die Gruppen können ihr Team in einem ersten Schritt vorregistrieren, bevor sie ihre Bewerbung bis zum 31. März 2019 einreichen. Die Bewerbung besteht aus einem bis zu 1000 Wörter langen Text und einem einminütigen Video, das das Experiment erklärt und die Teammitglieder vorstellt.
Wissenschaftler, Ingenieure, Pädagogen und Kommunikatoren bewerten dann die Vorschläge für Machbarkeit, wissenschaftliche Methode, Motivation des Experiments und die Kreativität des Experiments und des Videos. Am Ende werden zwei Teams ausgewählt, die die Reise zu DESY und den Aufenthalt dort gewinnen. Bis zu 30 Teams aus der engeren Wahl gewinnen ein BL4S-T-Shirt für jedes Teammitglied und andere tolle Preise, alle anderen erhalten eine Teilnahmebescheinigung.
Und dann geht es im Oktober 2019 bei DESY los. Bis zu 18 Schüler und ihre Coachs werden im DESY-Gästehaus übernachten, die nötige Sicherheitsausrüstung und -Schulung erhalten, DESY und die Wissenschaft kennenlernen und schließlich genau wie Wissenschaftler arbeiten und ihre vorgeschlagenen Experimente durchführen. Experten von DESY und CERN werden Hand in Hand mit den Studenten arbeiten. Es wird aber natürlich auch Zeit für kulturelle Aktivitäten und die Erkundung der Stadt geben.
"Bei dem Wettbewerb geht es nicht nur darum, neue Talente für die Wissenschaft zu gewinnen oder Schüler in die Welt der Forschung einzuführen – es geht auch darum, neue Fähigkeiten zu lernen und den Horizont der Studenten zu erweitern", erklärt die BL4S-Programmmanagerin Sarah Aretz vom CERN. "Nicht nur die Gewinnerteams profitieren von dieser Erfahrung. Wir haben viele positive Rückmeldungen von teilnehmenden Schülern und Lehrern erhalten, die uns sagen, welche wertvollen Erfahrungen die Teilnahme an diesem Wettbewerb gebracht hat."
Frühere Gewinnerteams haben ihre im Klassenzimmer gezüchteten Kristalle in der Beamline als Kalorimeter eingesetzt, um zu sehen, ob man dies auch in der Schule nutzen kann (man kann. Diese Schüler haben sogar ein wissenschaftliches Papier über ihre Ergebnisse veröffentlicht). Andere haben die Untersuchen von Pyramiden mit Myonen vorgeschlagen, nach exotischen Teilchen gesucht, den Bragg-Peak von Hadronen gemessen und vieles mehr. Es wurden Vorschläge für die Erprobung von Abschirmungen von Raumfahrzeugen zum Schutz der Astronauten vor kosmischer Strahlung gemacht, für die Analyse der Atmosphäre in Bezug auf Treibhausgase oder die Übersetzung von Signalen von Elementarteilchen in Kunst eingereicht. Möchtest du mitmachen? Stellt einfach ein Team zusammen, meldet euch an und wer weiß, vielleicht werdet ihr bald für zwei Wochen Wissenschaftler!
Wenn ihr mehr wissen möchtet, findet ihr viele Informationen auf der Projekthomepage. Es gibt viele hilfreiche Dokumente, nationale Ansprechpartner, die in eurer Sprache helfen, Informationen über frühere Wettbewerbe und vieles mehr.
Dieses Video vom CERN erklärt wie es geht: Beamline for Schools 2019