Wissenschaftler der ATLAS Collaboration am LHC haben die Streuung von Licht durch Licht beobachtet. In diesem Prozess kommt es zu einer Wechselwirkung zwischen zwei Photonen, die sich gegenseitig ablenken und dadurch ihre Richtung ändern. Es ist das erste Mal, dass dieses Phänomen in einem Teilchenbeschleuniger beobachtet werden konnte. Forscher von DESY, der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz und der AGH University of Science and Technology in Krakau untersuchten die Streuung in Kollisionen von Blei-Ionen am LHC.
„Gemäß der klassischen Elektrodynamik können sich zwei Lichtstrahlen nicht gegenseitig streuen. In der Quantenphysik ist es jedoch durchaus möglich, dass Licht durch Licht gestreut wird, auch wenn es scheinbar nur sehr selten vorkommt“, erklärt Mateusz Dyndal von DESY, der große Teile der Datenanalyse durchgeführt hat. Eine der ältesten Vorhersagen der Quantenelektrodynamik besagt, dass Photonen, die Träger der elektromagnetischen Kraft, interagieren und sich gegenseitig ablenken können. Dieser Prozess wurde in verschiedenen Umgebungen untersucht, beispielsweise in Beobachtungen der Delbrück-Streuung oder der Photon-Spaltung. Doch eine direkte Beobachtung der Licht-Licht-Streuung wurde bisher nicht erreicht.
2012 berechneten Physiker, dass die Licht-Licht-Streuung auch in Kollisionen am LHC beobachtet werden kann. Protonen die sich beinahe mit Lichtgeschwindigkeit bewegen, produzieren ein sehr starkes elektromagnetisches Feld. Das erzeugte Feld ist noch stärker wenn für die Kollisionen Blei-Kerne verwendet werden. Wenn zwei solche Ionen in einer sogenannten ultra-peripheren Kollision zusammenstoßen, können zwei Photonen wechselwirken, während die Ionen selbst intakt bleiben. Dadurch beobachten die Forscher im Detektor zwei Photonen mit niedriger Energie und spezifischen kinematischen Eigenschaften und keine sonstige Aktivität. Auf Grundlage der Daten die 2015 am LHC aufgenommen wurden, führten Physiker am ATLAS-Experiment eine Suche nach der Licht-Licht-Streuung durch und fanden Belege für das Phänomen mit einer statistischen Sicherheit von 4,4σ. Ab einem Wert von 5σ sprechen Physiker normalerweise von einer „Entdeckung“, ab einem Wert von 3σ spricht man von „Hinweisen“ oder „Belegen“ für eine neue Entdeckung. Licht-Licht-Streuung hat einen sehr kleinen Wirkungsquerschnitt, das heißt, sie kommt nur sehr selten vor. In vier Billionen Kollisionen, die ausgewertet wurden, gab es nur 13 passende Kandidaten.
Weil die Wissenschaftler nur wenige Kollisionen beobachteten, in denen Licht-Licht-Streuung identifiziert wurde, ist die statistische Sicherheit und Genauigkeit ihrer Ergebnisse begrenzt. Wenn es Ende 2018 die nächsten Blei-Blei-Kollisionen am LHC gibt, wollen die Forscher mehr Daten sammeln und dadurch das Phänomen noch präziser erforschen. Genauere Untersuchungen könnten zudem ein Fenster zu neuen Phänomenen am LHC öffnen. „Vielleicht finden wir Hinweise auf Phänomene, die nicht durch das Standardmodell der Teilchenphysik erklärt werden, zum Beispiel axion-artige Teilchen, die ein möglicher Kandidat für Dunkle Materie sind. Verschiedene theoretische Konzepte sagen voraus, dass in der Licht-Licht-Streuung solche neuen Prozesse wahrscheinlich auftreten könnten“, sagt Dyndal.