DESY-Wissenschaftler haben eine neue Methode entwickelt, um die Kollisionsdaten des Large Hadron Collider (LHC) wesentlich präziser zu machen. Im Rahmen seiner Doktorarbeit hat David Walter gemeinsam mit seinem Kollegen Andreas Meyer ein System erarbeitet, das die bisherigen Messungen der Kollisionsrate im Large Hadron Collider mit der Messung eines bekannten und viel produzierten Teilchens, nämlich dem Z-Boson, ergänzt.
Bei der Datenauswertung gilt die Faustregel: je mehr Kollisionen, desto besser. Auf der Suche nach neuer Physik ist es das Ziel der LHC-Experimente am CERN, so viele Proton-Proton-Kollisionen wie möglich zu sammeln und zu untersuchen, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass unentdeckte Teilchen erzeugt und gefunden werden. Allerdings könnten sich unerwartete Ereignisse bereits in den aktuellen Daten als kleine Abweichungen von den bekannten Prozessen verstecken. Um diesen Fall zu untersuchen, messen die Physiker:innen, wie wahrscheinlich es ist, dass ein bekannter Prozess mit der bestmöglichen Präzision auftritt– den Wirkungsquerschnitt. Da einige Prozesse bekanntermaßen sehr selten auftreten (also einen kleinen Wirkungsquerschnitt haben), sind auch für deren genaue Messung mehr Kollisionen erforderlich. Der Wirkungsquerschnitt wird bestimmt, indem man misst, wie oft ein Prozess innerhalb einer Datenprobe einer bestimmten Größe auftritt, was wiederum als integrierte Luminosität bezeichnet wird. Das bedeutet, dass man für genaue Querschnittsmessungen nicht nur eine hohe Anzahl von Kollisionen braucht, sondern auch die integrierte Luminosität genau kennen muss.
Traditionell messen Wissenschaftler:innen die Luminosität mit Hilfe von van-der-Meer-Scans, einer Technologie, die die Eigenschaften der Strahlen sehr genau bestimmen und die Anzahl der Kollisionen pro Zeit- und Flächeneinheit entsprechend berechnen kann.
Im LHC treffen alle 25 Nanosekunden Billionen von Protonen aufeinander –40 Millionen Mal pro Sekunde. Typischerweise findet jedes Mal, wenn sich die Protonenpakete kreuzen, nicht nur eine einzelne Proton-Proton-Kollision statt, sondern mehrere gleichzeitig, was als Pileup bezeichnet wird. Dadurch erhöht sich die pro Sekunde aufgezeichnete Luminosität. Im Jahr 2017 nahm das CMS-Experiment Daten mit einem durchschnittlichen Pileup von etwa 30 gleichzeitigen Kollisionen auf, was einem Durchschnitt von 1,2 Milliarden Kollisionen pro Sekunde entspricht. Bei zukünftigen LHC-Datennahmen wird erwartet, dass der Pileup um den Faktor 6 oder 7 zunimmt. Das stellt die Physiker:innen vor ein Problem: Mit höherem Pileup wird es schwieriger, die instantane Luminosität genau zu messen, d.h. zu wissen, wie viele Kollisionen stattgefunden haben.
Auf der Suche nach einer Lösung haben die DESY-Wissenschaftler David Walter und Andreas Meyer einen neuen Ansatz entwickelt, um die Luminosität auf der Basis eines Teilchens zu berechnen, das aus anderen Präzisionsmessungen gut bekannt ist. Das Z-Boson ist ein Teilchen, das in großen Mengen vorkommt und sofort zerfällt. In etwa 3 % der Fälle, häufig genug für diese Methode, zerfällt es in zwei Myonen, schwerere Geschwister der Elektronen und die Teilchensorte, auf die sich CMS spezialisiert hat. Die Anzahl der Z-Bosonen kann also sehr gut gemessen werden kann. "Im Standardbetrieb erzeugt der LHC etwa 500 Z-Boson-Ereignisse pro Minute, die in Myonen zerfallen", erklärt Meyer. Diese große Datenmenge macht es möglich, die Z-Bosonen für die genaue Bestimmung der Luminosität und damit für die Datenanalyse zu nutzen.
Die von den DESY-Wissenschaftlern verfasste Studie wurde mit konventionellen Messungen verglichen und zeigt eine gute Übereinstimmung. Mit Z-Bosonen kann also tatsächlich eine bessere Präzision erreicht werden. "Wir haben auch gesehen, dass die Methode mit konventionellen Luminositätsmessungen übereinstimmt, sogar für die höchsten Werte, die von CMS aufgezeichnet wurden", erklärt Walter. "Der Ansatz eignet sich daher auch für die Zukunft, wenn die Experimente mehr Pileup als je zuvor erleben werden."
Originalveröffentlichung "Luminosity determination using Z boson production at the CMS experiment"