ERC Starting Grant für Suche nach Physik jenseits des Standardmodells

Kristin Lohwasser

Beschreibt das sogenannte Standardmodell die mikroskopische Welt der kleinsten Teilchen und Kräfte wirklich im feinsten Detail? Nachdem das Higgs-Teilchen im Jahre 2012 am Genfer Teilchenbeschleuniger LHC nachgewiesen wurde, ist das Standardmodell eigentlich komplett. Wieviel Raum es für die Existenz weiterer Phänomene gibt, wird DESY-Wissenschaftlerin Kristin Lohwasser aus Zeuthen nun mit Unterstützung des Europäischen Forschungsrats (European Research Council; ERC) untersuchen. Sie hat für die Suche nach Unstimmigkeiten im Standardmodell einen ERC Starting Grant bekommen. Mit rund 1,5 Millionen Euro kann Lohwasser eine Forschungsgruppe aufbauen, um Prozesse mit schweren Bosonen zu untersuchen und damit herauszufinden, ob sich Hinweise auf Physik jenseits des Standardmodells finden lassen.

Die W- und Z-Bosonen sind die Träger der schwachen Wechselwirkung, die unter anderem für den radioaktiven Zerfall verantwortlich ist. Dass diese Teilchen mit einer Masse von rund 80 und 91 Giga-Elektronenvolt (GeV) Schwergewichte sind, gab in den 1960er Jahren den ersten Hinweis darauf, dass es das Higgs-Boson als weiteres Elementarteilchen geben könnte. Weitere Überraschungen könnten sich in den Wechselwirkungen zwischen diesen schweren Bosonen verbergen: Die Rate, mit der W-Teilchen miteinander reagieren, ist sehr empfindlich auf Einflüsse anderer, hypothetischer Teilchen, die allerdings noch nicht gefunden wurden. Sollten diese existieren, könnten sie Antworten auf noch offene Fragen des Standardmodells geben.

Messungen bei der neuen höheren Schwerpunktsenergie, mit der der LHC mittlerweile läuft, sind wesentlich empfindlicher für diese Effekte als bisher. Präzisere Aussagen werden damit möglich, ob und welche neuen Teilchen es geben könnte. Die Messung von Prozessen mit Boson-Paaren könnte dabei – ähnlich wie in den 1960er Jahren – sogar auf Effekte von Teilchen empfindlich sein, die am LHC nicht direkt produziert werden können. Die Kombination von verschiedenen Messungen erlaubt dabei einen globalen Test der Präzisionsvorhersagen des Standardmodells und kann zeigen, ob es möglicherweise erweitert werden muss. Zwei Post-Docs und drei Doktoranden werden zusammen mit Lohwasser an dem Projekt arbeiten und innerhalb der ATLAS-Gruppe ihre Analysen durchführen.