Kohlendioxidkühlung für ATLAS-Upgrade

DESYs ATLAS-Gruppe testet Detektor-Prototypen zum ersten Mal mit neuem Gas-Kühlsystem

Mit Hilfe einer Infrarot-Kamera können die Forscher die Effiizienz der neuen Kühlung überprüfen. Bild: DESY

Cooles Team: Jan-Hendrik Arling. Claire David und Yasiel Delabat kühlen ATLAS jetzt mit Kohlendioxid. Bild: DESY

Teilchendetektoren wie der riesige ATLAS-Detektor am Large Hadron Collider (LHC) beim europäischen Teilchenforschungszentrum CERN sind dauer-gechillt. Wenn Teilchen miteinander kollidieren und die Elektronik und Sensoren der Detektor-Komponenten auf Hochtouren arbeiten, entsteht viel Wärme, die die Effizienz der Komponenten in Gefahr bringt und im schlimmsten Fall zur Überhitzung führen kann. Bei DESY ist jetzt eine neue Kohlendioxid-basierte Kühlung erfolreich getestet worden.

Es ist für die Wissenschaftler essentiell, mit höchster Präzision zu wissen, wo und wann und mit welcher Energie ein Teilchen durch den Detektor geflogen ist. Nur so können sie rekonstruieren, was in der Kollision genau passiert ist und ob seltene Teilchen mit dabei waren. Dazu soll der Detektor "hermetisch" sein, das heißt, dass die Sensoren möglichst alles um den Kollisionspunkt abdecken, also kein "Loch” oder toter Winkel vorhanden ist. Außerdem sollen sich auch keine Hindernisse wie Kühlleitungen und -aggregate im Weg der Teilchen befinden. Es gilt also, so effizient wie möglich mit so wenig Material wie möglich zu kühlen.

In ungefähr zehn Jahren ist ein großes Upgrade des Beschleunigers und der Detektoren geplant. In den zentralsten Detektorkomponenten von ATLAS, dem inneren Spurdetektor, steigt man komplett auf Silizium-Sensoren um, die mit der höheren Kollisionsrate besser klarkommen und eine bessere Auflösung haben. Sie funktionieren am besten, wenn man sie kühlt. Der Plan ist, sie mit dem allgegenwärtigen CO2 – Kohlendioxid – zu kühlen. Unter hohem Druck und bei niedriger Temperatur ist das Kältemittel flüssig statt gasförmig. Die besonders effiziente Kühlwirkung wird jedoch dadurch erreicht, dass die Flüssigkeit verdampft und dabei die Wärme des Detektors aufnehmen kann. „Diese wirksame Kühlmethode, die bereits bei einigen Subdetektorsystemen getestet wurde und in Zukunft bei vielen Teilchendetektoren großflächig verwendet werden soll, nennt man evaporatives Kühlen“, erklärt Jan-Hendrik Arling, Doktorand in der ATLAS-Gruppe bei DESY.

DESY spielt eine zentrale Rolle in der Entwicklung und im Bau des Spurdetektors für das geplante Upgrade. So wird zum Beispiel eine der beiden Endkappen – die Teile des Detektors, die die konzentrischen Detektorlagen an den beiden Seiten abschließen und besonders viele Teilchen abbekommen – bei DESY zusammengebaut. Auch die Kühltests der neuen Detektorteile haben hier ihren Ursprung. Ein erster Test an einem Prototypen hat jetzt ergeben: alles cool.

„Mit den Tests wollen wir herausfinden, wie man die Temperatur genau messen kann, wie warm unsere Silizium-Sensoren werden und ob die Sensoren vielleicht sogar ein thermisches Gedächtnis haben“, erklärt DESY-Forscherin Claire David, die den Test koordiniert. „Bei uns gilt: je kälter desto besser. Und wir haben es geschafft!“

Für den Test haben die Forscher einen Prototypen eines Teils der Endkappe genutzt, der zwar als thermomechanischer Prototyp genau für solche Zwecke gebaut wurde, aber zusätzlich noch von vielen anderen Forschergruppen genutzt werden wird. Deshalb war größte Vorsicht angesagt, denn für diesen Test wurden zum Beispiel die zerbrechlichen Silizium-Chips mit schwarzen Klebebandstreifen präpariert. Dann wurde er in eine thermisch isolierte Testkammer gesetzt, mit einem vom International Linear Collider-Projekt geliehenen Kühlaggregat gekühlt und mit einer Infrarot-Wärmekamera fotografiert. Die Forscher mussten unter anderem auch den Winkel beachten, aus dem sie den Prototypen fotografieren, denn: „Silizium reflektiert alles, was warm ist, sogar das bisschen Wärme von der Kamera. Das hätte unsere Messungen gestört“, sagt David.

Jetzt geht es mit der Auswertung der gesammelten Daten weiter. Am Ende sollen ungefähr 165 Quadratmeter an Silizium-Streifendetektoren mit dieser CO2-evaporativen Kühlung in ATLAS betrieben werden. Bis dahin wartet aber noch einiges an Arbeit auf die Forscher.

 

Mehr zu ATLAS bei weltmaschine.de