Ein Pulsar zum Betriebsstart – H.E.S.S. II weist erstmals gepulste Gammastrahlung am Südhimmel nach

Das H.E.S.S.-Experiment mit vier 12-Meter-Teleskopen und dem neuen 28 Meter großen CT5-Teleskop.

as Cherenkov-Teleskopsystem H.E.S.S. II (High Energy Spectroscopic System) in Namibia hat in seinen ersten Daten Gammastrahlen mit Energien von nur 30 Giga-Elektronenvolt (GeV) vom Boden aus nachgewiesen. Das kürzlich um das weltweit größte Cherenkov-Teleskop (CT5) erweiterte System hat damit erstmals gepulste Gammastrahlung im Südhimmel vom Boden aus gemessen und so eindrucksvoll seine Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Die Strahlung stammt vom Vela-Pulsar – der erste von H.E.S.S. nachgewiesene Pulsar und nach dem Krebs-Pulsar erst der zweite Pulsar überhaupt, der von bodengebundenen Gammastrahlen-Teleskopen nachgewiesen werden konnte.

H.E.S.S. II ist ein System aus Spiegelteleskopen verschiedener Größen, die zusammen kosmische Gammastrahlen nachweisen, und wird von einer internationalen Kollaboration aus 31 Instituten in 10 Ländern betrieben, mit maßgeblichen Beiträgen von MPIK Heidelberg und CEA, CNRS, Frankreich. Ein 28 Meter großes fünftes Teleskop, das in der Mitte des Systems, zwischen den vier seit mehr als 10 Jahren in Betrieb befindlichen 12 Meter großen Teleskopen platziert wurde, erweitert den Energiebereich zu niedrigeren Energien. Es ermöglicht so den Nachweis kosmischer Teilchenbeschleuniger bis hinunter zu 30 GeV. Den Beweis hierfür lieferten die Astroteilchenphysiker jetzt mit maßgeblichen Analysebeiträgen der H.E.S.S.-Gruppe bei DESY: In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern in ganz Europa wurde eine für solch niederenergetische Gammastrahlen maßgeschneiderte Rekonstruktionsanalyse entwickelt. Mit ihr konnten die Forscher ein gepulstes Gammastrahlen-Signal im Energiebereich von 30 GeV nachweisen und dem Vela-Pulsar zuordnen. Dies öffnet die Tür für neue Beobachtungsmöglichkeiten der inneren Milchstraße.

Neben intensiver Arbeit am Bau und der Kalibration des neuen Teleskops waren zwei Jahre intensiver Softwareentwicklung durch DESY-Forscher Markus Holler maßgeblich für diesen Erfolg. „Markus Holler hat eine hochsensitive, auf statistisch sehr komplexen Algorithmen basierte Analyse für die Rekonstruktion der Daten des 28-Meter-Teleskops angepasst. Damit können wir Gammastrahlen mit nur 30 GeV vom Boden aus nachweisen, viel niedriger als unsere bisherige Detektionsschwelle von etwa 100 GeV”, schwärmt Stefan Klepser, Gruppensprecher für das H.E.S.S.-Experiment bei DESY. „Und da wir in der Atmosphäre eine projizierte Fläche von 10 Hektar überblicken können, haben wir sogar eine deutlich höhere Ausbeute an Gammastrahlen als etwa Satellitenexperimente wie Fermi-LAT.” Bis zu einem Gamma pro Sekunde werden von einigen Quellen nachgewiesen – ein Rekord.

DESY-Pulsarjäger Gianluca Giavitto, der zusammen mit H.E.S.S.-Kollegen der Humboldt-Universität zu Berlin und aus Frankreich die Rekonstruktionsanalyse erstmals angewendet hat, sagt: „Man sieht in den Daten gleichmäßige Gammastrahlenpulse im Takt von 89 Millisekunden, genau aus der Richtung des Vela-Pulsars. Die rekonstruierte Energie dieser Teilchen ist im Bereich von 30 GeV.” Damit ist es H.E.S.S. erstmals geglückt, gepulste Strahlung im Südhimmel zu messen.

Cherenkov-Teleskopsysteme bestehen aus optischen Teleskopen und weisen Cherenkov-Blitze in der Atmosphäre nach. Solche Blitze dauern nur wenige Nanosekunden und sind für das menschliche Auge unsichtbar. Sie entstehen in Kaskaden aus Elementarteilchen, die durch kosmische Strahlung ausgelöst werden. Cherenkov-Teleskope nehmen mit hochsensitiven Kameras Bilder auf, mit denen in diesen Ereignissen Gammastrahlen identifiziert werden können. Aus vielen solchen Ereignissen lassen sich Abbildungen der kosmischen Teilchenbeschleuniger konstruieren, die ebendiese Gammastrahlen aussenden. Die derzeit aktiven Teleskopsysteme sind VERITAS in Arizona (4 x 12m-Teleskope), MAGIC in La Palma (2 x 17m) und H.E.S.S. (4 x 12m + 1 x 28m). H.E.S.S. ist das einzige System in der Südhemisphäre und das einzige mit unterschiedlichen Spiegelgrößen. Damit ist H.E.S.S. ein idealer Wegbereiter für das in internationaler Kollaboration geplante Cherenkov Telescope Array CTA, das ab 2017 mit insgesamt etwa 100 Spiegelteleskopen in drei Größen und verteilt auf zwei Standorte gebaut werden soll. DESY-Gruppen sind bei allen drei bestehenden Teleskopsystemen sowie an CTA beteiligt und betreiben einen intensiven technologischen Austausch.

„Die gesamte Milchstraße ist voller Pulsare, und wir sehen von Namibia aus genau in ihr Zentrum. Die H.E.S.S.-Daten zeigen, dass wir dem Universum mit Cherenkov-Teleskopen noch etliche Geheimnisse entlocken können”, freut sich Christian Stegmann, Leiter des DESY-Standortes in Zeuthen und Sprecher der H.E.S.S.-Kollaboration. „DESY ist mit Beteiligungen an allen aktiven Experimenten ein idealer Ort, um diese Forschung entscheidend voranzubringen.“