EU-Millionenförderung für Forschung zu Neutrinos und kosmischer Inflation

Walter Winter bekommt den ERC Grant für sein Projekt NeuCos.

Alexander Westphal erhält 1,85 Millionen Euro für sein Projekt Stringflation.

Zwei ERC Consolidator Grants für DESY-Wissenschaftler

Der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) fördert zwei Forschungsprojekte von DESY-Wissenschaftlern mit sogenannten ERC Consolidator Grants. Walter Winter aus Zeuthen wird für fünf Jahre mit rund 1,75 Millionen Euro für sein Projekt „NeuCos – Neutrinos and the origin of the cosmic rays“ unterstützt, der Hamburger Alexander Westphal bekommt für denselben Zeitraum 1,85 Millionen Euro für seine Forschung „Inflation in String Theory – Connecting quantum gravity with observations“. Der hochdotierte ERC Consolidator Grant wird im Rahmen des EU-Förderprogramms „Horizon 2020“ an exzellente, hoch talentierte Wissenschaftler zur Förderung ihrer unabhängigen und selbstständigen Forschungstätigkeit vergeben.

Walter Winter, der auch an der Humboldt-Universität zu Berlin lehrt, will in seinem Projekt die kosmische Strahlung genauer erforschen. Die Quellen dieser vor über 100 Jahren entdeckten Strahlung geben nach wie vor Rätsel auf. Es müssen gigantische Teilchenbeschleuniger sein, der genaue Ursprung ist jedoch besonders bei den höchsten Energien unbekannt. Mögliche Kandidaten für die Beschleuniger dieser kosmischen Teilchen sind Gammastrahlungsblitze oder aktive Galaxienkerne.

Ein weiteres Rätsel der kosmischen Strahlung ist deren chemische Zusammensetzung: Daten des Auger-Experiments deuten auf schwerere Atomkerne bei den höchsten Energien hin – ein Ergebnis, das weitere Fragen aufwirft. Gleichzeitig haben die Beobachtungen höchstenergetischer Neutrinos mit dem Neutrinoteleskop IceCube die Hochenergie-Astrophysik im Jahr 2013 revolutioniert. Zum ersten Mal wurde neben Photonen und kosmischer Strahlung ein weiteres Puzzleteil für die Natur der kosmischen Beschleuniger gefunden.

Ein Ziel des Forschungsprojektes „Neutrinos and the origin of the cosmic rays“ ist es, eine gemeinsame Grundlage für diese verschiedenen Beobachtungen zu suchen. Dafür will Winter eine multidisziplinäre Theorie-Arbeitsgruppe mit Expertise aus der Astrophysik und Teilchenphysik gründen. Sie soll theoretische Modelle der Quellen schwererer Kerne entwickeln, um aus den Beobachtungsdaten der verschiedenen kosmischen Botschafter neue Hinweise für den Ursprung der kosmischen Strahlung zu erhalten. Ein weiteres Ziel ist es, die teilchenphysikalischen Eigenschaften der Neutrinos mit Hilfe zukünftiger Neutrinoteleskope zu untersuchen.

Alexander Westphal aus der DESY-Theorieabteilung möchte in seinem „Stringflation“-Projekt die Ausdehnung des Universums mit Hilfe der Stringtheorie beschreiben. Seit das Universum im Urknall entstand, breitet es sich unaufhörlich aus. Allerdings entsteht dabei nur unter extrem engen Anfangsbedingungen das Universum wie wir es heute beobachten. Die einfachste Erklärung dafür ist eine Phase „kosmischer Inflation“nur Bruchteile von Sekunden nach dem Urknall, die das Universum rasant schnell und exponentiell anwachsend aufbläst. Anschließend dehnte sich das Weltall unter Abkühlung langsamer werdend bis fast zur heutigen Größe aus. In den letzten fünf Milliarden Jahren dann wurde die Ausdehnung des Universums durch die Dunkle Energie ein zweites Mal beschleunigt, diesmal sehr langsam und auf viel niedrigerem Niveau als während der Inflationsphase.

Präzisionsmessungen des kosmischen Mikrowellenhintergrunds (CMB) durch Experimente wie zuerst dem WMAP-Satelliten, danach dem europäischen Planck-Satelliten oder BICEP2 und Keck Array (beide in der Antarktis) bieten den Forschern jetzt erstmals einen wissenschaftlich fundierten Zugang zu der inflationären Phase ganz am Anfang der Zeit. Ein charakteristisches Signal der Inflationsphase ist die Produktion von Gravitationswellen, die im CMB prinzipiell durch ein besonderes Polarisationsmuster der Mikrowellenstrahlung nachweisbar sind, das bald von den Experimenten wahrgenommen werden könnte.

Alexander Westphals Stringflation-Projekt untersucht die Einbettung von Inflationsmodellen in die Stringtheorie. Die Stringtheorie ist ein Kandidat für eine vollständig vereinheitlichte Beschreibung der physikalischen Gesetze einschließlich einer Theorie der Quantengravitation. Die Grundbausteine des Universums bestehen in der Stringtheorie aus winzig kleinen schwingenden Fäden. Je nach Schwingungsart dieser Fäden zeigen sie sich als das eine oder andere Teilchen. Das Problem ist, dass diese Fäden so klein sind, dass sie sich heute möglichen Experimenten komplett entziehen. Diese Theorie besitzt eine ganze Fülle von Lösungen, die verschiedene mögliche Universen mit unterschiedlichen physikalischen Gesetzen bei uns zugänglichen experimentellen Bedingungen beschreiben. Damit existiert auch ein ganzes Spektrum an möglichen Inflationsmodellen in der Stringtheorie.

Alexander Westphal will versuchen, existierende Inflationsmodelle, die sich mit der Stringtheorie beschreiben lassen, durch die Häufigkeit herauszufiltern, mit der sie inflationäre Gravitationswellen von beobachtbarer Stärke erzeugen. Mit diesen Gravitationswellen als beobachtbare Konsequenzen erhofft sich Westphal auch einen ersten Ansatz, um die Stringtheorie experimentell zu prüfen.