Detektor-Prototyp erfolgreich getestet

Von Grund auf durchoptimiert: Neues Kalorimeter liefert gute Ergebnisse im Teststrahl

Der am CERN getestete Prototyp kombiniert die Detektor-Technologien, die im Laufe der letzten Jahre die besten Ergebnisse geliefert haben. Bild: Jiri Kvasnicka, Prag

Das Kalorimeter wurde bei DESY zusammengebaut. Bild: DESY

So zeichnet der Prototyp die Teilchen auf.

Kalorimeter sind in der Teilchenphysik ein Muss, denn sie messen die Energie der Teilchen, die in einer Kollision entstehe. Deshalb sind Teilchenphysiker stets bemüht, ihre Kalorimetersysteme weiter zu optimieren, zu verfeinern und auf den neusten Stand zu bringen, um die bestmöglichen Messergebnisse zu erhalten. Die Forschungskooperation CALICE spielt dabei eine führende Rolle. Ihr neuster Prototyp eines Kalorimeters wurde kürzlich fertiggestellt und wurde nun an einer Teststrahl-Messstation des europäischen Teilchen-Forschungszentrums CERN bei Genf ersten Tests unterzogen.

Die DESY-Wissenschaftler Katja Krüger und Felix Sefkow haben als Projektleiter die Entwicklung und Herstellung sämtlicher Komponenten des neuen Prototyps koordiniert. Sie sorgten dafür, dass alles in DESYs Detektorlabor zusammenlief, und nutzten das Fachwissen der vielen verschiedenen Gruppen vor Ort, um die Funktionsfähigkeit zu prüfen, bevor es anschließend damit ans CERN ging. Nicht nur DESYs Elektronik-Expertise war gefragt: Das Kalorimeter machte sich in robusten Holzkisten auf die Reise, die von DESY-Tischlern entworfen und maßgefertigt wurden.

Der Kalorimeter-Prototyp besteht aus 38 Schichten eines aktiven Materials mit einer Fläche von 72 mal 72 Zentimeter. 22,000 Szintillatorkacheln, jeweils mit ihrem eigenen Silizium-Photomultiplier (SiPM) bestückt, messen die vorbeiflitzenden Teilchen, und anders als bei bisherigen Prototypen sind sämtliche Komponenten innerhalb der Einheit enthalten: Lichtsensoren, Auslesechips, LEDs zur Kalibrierung, Spannungsanpassung, Trigger, Speicher, Verstärker, Digitalisierer für die Energie- und Zeitmessung – alles, was ein Teilchendetektor so braucht. Sämtliche von den Detektoren erfassten Daten verlassen den Prototypen über ein einziges, kompaktes Kabel – genauso als wäre er Teil eines kompletten Teilchendetektors in der Hochenergiephysik, wo kein Platz für Regale und viele Kabel ist.

Koordinator Felix Sefkow erklärt, was das Kalorimeter auszeichnet: „Es liefert die vierdimensionalen Angaben zur räumlichen Position und zur Zeit, und misst gleichzeitig die Energiedeposition.“ Der neue Prototyp stellt den Höhepunkt aus Jahren der Entwicklung und Erprobungen verschiedener Technologien und Konstellationen in Laboren und Teststrahlen dar, bei der die optimalen Systemkombinationen ermittelt und die neusten Entwicklungen der Halbleiterindustrie eingesetzt wurden. Mit seiner ausgereiften Technik ließe sich das Kalorimeter im Prinzip schon morgen in einem Detektor des Linearbeschleunigers ILC einbauen. Bislang hat in den Tests bei CERN, die gerade nach zwei Wochen zu Ende gegangen sind, alles gut geklappt.

Der Zusammenbau des Detektors begann im Oktober vergangenen Jahres, unter Beteiligung von Forschungsgruppen aus der ganzen Welt und mithilfe von Verfahren aus der Serienfertigung. Die Szintillatorenkacheln selbst wurden in Russland im Spritzgussverfahren hergestellt, in Hamburg automatisch wie Bonbons eingewickelt, und in Mainz von einem Roboter auf Platinen geklebt. Die komplexen Platinen wurden mithilfe von in Wuppertal getesteten ASIC-Schaltkreisen der OMEGA-Gruppe in Palaiseau und in Heidelberg charakterisierten SiPMs aus Japan bei DESY zusammengebaut.

Das Datenerfassungssystem entstand in einer Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftler aus Bristol, Prag und von DESY. Die Herstellung der Platinen dauerte bis Januar, danach wurden diese bei DESY kalibriert, getestet und in die Kalorimetereinheit integriert. Die Gruppe des Max-Planck-Instituts für Physik in München steuerte die Mechanik bei und leistete einen wesentlichen Beitrag zur Software. Noch bevor das Kalorimeter in Kisten verpackt wurde, um in CERN im Strahl platziert zu werden, hatte er bereits seine ersten kosmischen Myonen registriert. Kosmische Myonen sind Elementarteilchen, die in der Erdatmospähre durch ständig auf die Erde einprasselnde kosmische Teilchen erzeugt werden, und das Kalorimeter registriert sie genauso wie Teilchen, die aus einer Kollision stammen.

Die Installation in CERNs SPS-Strahlführung H2 verlief problemlos, der Detektor funktionierte auf Anhieb und zeichnete Zehnmillionen von Myonen-, Elektronen- und Pionen-Ereignissen auf.„Die Qualität der Onlinedaten sieht gut aus“, fasst Katja Krüger zusammen.

Die CALICE SiPM-On-Tile-Technik, die unter DESYs Führung entwickelt wurde, ist so vielseitig, dass sie auch im Rahmen einer Aufrüstung für höhere Kollisionsraten im CMS-Detektor des LHC eingesetzt werden soll und ebenso für einen künftigen Neutrino-Detektor in den USA in Betracht gezogen wird.