SMASH soll fünf große Fragen der Teilchenphysik lösen

Erweiterung des Standardmodells liefert vollständiges Bild der Geschichte des Universums

Die verschiedenen Phasen der Geschichte des Universums nach SMASH und die dominanten Energiearten der verschiedenen Epochen (untere Zeile, der Buchstabe Lambda repräsentiert die Dunkle Energie als Kosmische Konstante). Grafik: DESY

Die Teilchen des Standardmodells (SM, links) und der Erweiterung (rechts). Bild: Carlos Tamarit, University of Durham

Das extrem erfolgreiche Standardmodell der Teilchenphysik hat eine unerwünschte Grenze: Es erklärt in der gegenwärtigen Fassung nur rund 15 Prozent der Materie im Universum. Es beschreibt und ordnet zwar alle bekannten fundamentalen Teilchen und Wechselwirkungen. Aber dies lediglich für die uns gewohnte Materie. Mehr als fünf Mal so häufig ist jedoch astrophysikalischen Beobachtungen zufolge eine rätselhafte Dunkle Materie. Ein internationales Team theoretischer Physiker hat nun eine Erweiterung des Standardmodells entwickelt, die nicht nur die Dunkle Materie erklären, sondern gleich fünf große Probleme der Teilchenphysik auf einen Schlag lösen könnte. Guillermo Ballesteros von der Universität Paris-Saclay und seine Kollegen präsentieren ihr SMASH-Modell („Standard Model Axion Seesaw Higgs portal inflation“-Modell) im Fachblatt „Physical Review Letters“.

„SMASH ist eigentlich eine Bottom-Up-Konstruktion“, erklärt DESY-Wissenschaftler Andreas Ringwald, Ko-Autor der Studie. „Wir sind vom Standardmodell ausgegangen und haben nur so wenig Neues hinzugefügt wie nötig, um die offenen Fragen zu beantworten.“ Dafür haben die Forscher verschiedene bereits vorhandene theoretische Ansätze kombiniert und ein einfaches, vereinheitlichtes Modell entwickelt. SMASH fügt dem Standardmodell insgesamt sechs neue Teilchen hinzu: Drei schwere, rechtsdrehende Neutrinos, ein zusätzliches Quark sowie ein sogenanntes Axion und das schwere Teilchen Rho (ρ). Die letzteren beiden Teilchen werden durch ein neues Feld beschrieben, das sich durchs gesamte Universum zieht.

Mit diesen Erweiterungen können die Forscher fünf Probleme lösen: Das Axion ist ein Kandidat für die Dunkle Materie, die nach astrophysikalischen Beobachtungen im Universum mehr als fünfmal so häufig ist wie die uns vertraute Materie, die vom Standardmodell beschrieben wird; die schweren Neutrinos erklären die Masse der bereits bekannten, sehr leichten Neutrinos, und das Rho bewirkt im Zusammenspiel mit dem Higgs-Teilchen die sogenannte Inflation, in der sich das ganz junge Universum aus bislang ungeklärter Ursache plötzlich um mindestens das Hundertquadrillionenfache aufgebläht hat. Zusätzlich gibt SMASH Erklärungen dafür, warum in unserem Universum so viel mehr Materie als Antimaterie vorhanden ist, obwohl im Urknall beide in gleicher Menge entstanden sein müssen, und wieso bei der starken Kraft, einer der fundamentalen Wechselwirkungen, keine Verletzung der sogenannten CP-Symmetrie beobachtet werden kann.

„Insgesamt ergibt sich ein vollständiges, konsistentes Bild der Geschichte des Universums von der Inflation bis heute. Und anders als in vielen älteren Modellen kann man die einzelnen wichtigen Werte sehr genau berechnen, beispielsweise den Zeitpunkt, an dem sich das Universum nach der Inflation wieder erhitzt“, betont Ringwald.

Durch die präzise Berechnung dieser Werte kann SMASH vielleicht schon in den nächsten zehn Jahren experimentell geprüft werden. „Das Gute an SMASH ist, dass die Theorie falsifizierbar ist. Sie enthält beispielsweise sehr genaue Voraussagen zu bestimmten Messwerten der sogenannten kosmischen Hintergrundstrahlung. Zukünftige Experimente, die diese Strahlung noch präziser messen, könnten SMASH also schon bald ausschließen – oder die Voraussage bestätigen“, erklärt Ringwald. Ein weiterer Test für das Modell ist die Suche nach Axionen. Denn auch hier kann das Modell genaue Voraussagen machen. Wenn tatsächlich Axionen den Großteil der Dunklen Materie im Universum ausmachen, müssten sie nach SMASH in der in der Teilchenphysik gängigen Einheit eine Masse zwischen 50 und 200 Mikroelektronenvolt haben. Experimente, die die Dunkle Materie genauer untersuchen, könnten auch diese Voraussage bald prüfen.

An der Studie waren auch Javier Redondo von der Universität Saragossa in Spanien und Carlos Tamarit von der University of Durham in England beteiligt.

 
Originalveröffentlichung:
Unifying inflation with the axion, dark matter, baryogenesis and the seesaw mechanism; Guillermo Ballesteros, Javier Redondo, Andreas Ringwald, Carlos Tamarit; „Physical Review Letters“, 10.1103/PhysRevLett.118.071802