Detektorexpertin Ingrid Gregor wird Leitende Wissenschaftlerin

Teilchenphysik-Zukunft made at DESY

Teilchenphysikerin Ingrid Gregor, neue Leitende Wissenschaftlerin bei DESY. Bild: privat

Ingrid Gregor, DESY-Teilchenphysikerin und Professorin an der Universität Bonn, ist jetzt zur Leitenden Wissenschaftlerin bei DESY ernannt worden. Die Expertin für Siliziumdetektoren forscht am ATLAS-Experiment, einem der großen internationalen Detektoren am Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider LHC am CERN bei Genf. Unter anderem kümmert sie sich federführend um den Bau von zentralen neuen Komponenten für den Upgrade des ATLAS-Detektors, die bei DESY zusammengesetzt werden. Sie leitet außerdem die ATLAS-Gruppe bei DESY.

Wenn im Teilchenbeschleuniger die Protonen aufeinander prallen und die Teilchendetektoren auf Hochtouren laufen, um alle interessanten Kollisionen so präzise wie möglich aufzuzeichnen, ist Ingrid Gregor in ihrem Element. Die DESYanerin, die vorher an den DESY-eigenen Experimenten HERMES und ZEUS geforscht hat, ist seit dem Start des LHC Wissenschaftlerin am gigantischen ATLAS-Experiment am CERN in Genf. Unter anderem wurde mit ATLAS vor zehn Jahren das Higgs-Teilchen entdeckt, das letzte noch fehlende Puzzleteil in der Welt der allerkleinsten Teilchen, aus der die Forschenden Rückschlüsse auf die Spielregeln unseres Universums ziehen können. Als Spezialistin für Siliziumdetektoren ist Gregor besonders für die inneren Lagen des Riesen zuständig, den Bereich dicht am Kollisionspunkt, wo die Teilchendichte enorm hoch ist und große Anforderungen an die Technik stellt.

Siliziumdetektoren, die in der Teilchenphysik oft verwendet werden, sind dafür besonders geeignet. Sie haben eine hohe Auflösung, können also viel Detail über die durchfliegenden Teilchen sammeln; sie sind schnell und effizient und nehmen im Detektor wenig Platz weg, weil Sensoren und Auslese bereits zusammenhängen und so möglichst wenig „tote Fläche“ schaffen, in der potenziell interessante Vorgänge verloren gehen könnten. Auf diese Art von Detektoren hat sich Ingrid Gregor spezialisiert und sorgt auch dafür, dass die Technologie sich ständig weiterentwickelt.

Ihre Expertise braucht sie auch für die große Herausforderung, vor der die CMS- und ATLAS-Gruppen bei DESY jetzt stehen: Bis zum Jahr 2029, wenn der Large Hadron Collider mit einem Vielfachen an den heute möglichen Kollisionen runderneuert an den Start gehen soll, müssen auch die Detektoren fit für diese neue Herausforderung gemacht werden. DESY hat sich verpflichtet, die Endkappen der Silizium-Spurdetektoren sowohl für den Upgrade des CMS- als auch des ATLAS-Detektors zu bauen. Dafür wurde auf dem Campus die Detector Assembly Facility DAF eingerichtet, in der demnächst die Montage der Endkappen beginnt.

„In etwa viereinhalb Jahren sollen die Endkappen vom Hof und in die Experimente eingebaut werden; in der Zwischenzeit herrscht hier Hochbetrieb, und das schon seit Monaten“, erklärt Gregor. In einem Teil der DAF werden im Reinraum mehrere hundert hochpräzise Siliziumdetektoren entwickelt, gebaut und getestet. In einem anderen Teil werden sie dann zum Teil mit Robotern auf Kohlefaserstrukturen montiert und zu den rund zwei Meter hohen Endkappen der Silizium-Spurdetektoren zusammengesetzt. Rund 30 Quadratmeter Silizium-Detektorfläche sind dann bereit für den Teilchenregen aus dem LHC.

Gleichzeitig treibt Ingrid Gregor aber auch die Forschung an den vielseitigen Sensoren voran. In einem aus dem Helmholtz-Innovationspool finanzierten Gemeinschaftsprojekt mit weiteren Helmholtz-Zentren wie dem KIT in Karlsruhe oder dem GSI in Darmstadt werden Pixeldetektoren mit 65-Nanometer-Technologie weiterentwickelt, die energieffizienter und damit günstiger sind, großflächiger verbaut werden können und außerdem sehr dünn und extrem präzise sind. Mit diesen Eigenschaften sind sie auch für Anwendungen außerhalb der Teilchenphysik sehr interessant. Bei DESY sollen sie erstmal in die Testbeam-Teleskope eingesetzt werden, mit deren Hilfe viele Detektor-Prototypen im Teilchenstrahl auf Herz und Nieren geprüft werden.

“Ingrid hat diese Anerkennung mehr als verdient”, freut sich Beate Heinemann, DESY-Forschungsdirektorin für den Bereich Teilchenphysik. “Sie ist eine hervorragende Wissenschaftlerin mit einer ausgewiesenen Expertise für die Entwicklung von neuen Technologien für Detektoren und für deren Konstruktion. Zudem ist sie auch eine hervorragende Führungskraft, der es anscheinend mühelos gelingt, Leute aus den verschiedensten Bereichen zu inspirieren und anzuleiten und somit die gesetzten Ziele zu erreichen. Für uns als Großforschungseinrichtung sind Ingrid und ihre vielen Talente von unschätzbarem Wert!”